Rede im Plenum des Deutschen Bun­destages, 05.03.2020, TOP 11a, EEG.

Gern kön­nen Sie hier den Videobeitrag anschauen, oder die Rede als Auszug aus dem Ple­narpro­tokoll noch ein­mal nachlesen.

Auszug aus dem Plenarprotokoll:

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Vie­len Dank, Herr Präsi­dent. — Liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen! Die vier ver­schiede­nen Anträge, die vor­liegen, zeigen die unter­schiedlichen Lösungsan­sätze für die Förderung der erneuer­baren Energien. Die AfD will gar keine Förderung mehr; sie will sofort das EEG ersat­z­los streichen,

(Beifall des Abg. Mar­tin Heb­n­er (AfD))

wohl wis­send, dass es natür­lich hier auch einge­gan­gene Verpflich­tun­gen gibt

(Karsten Hilse (AfD): Das wollen wir weiterhin!)

und dass das EEG natür­lich etwas erre­icht hat. Auf der anderen Seite sind die Kon­tra­hen­ten von Bünd­nis 90/Die Grü­nen, die die Förder­tatbestände für Jahrzehnte ausweit­en wollen. Sie wollen nicht nur den Bestand erhal­ten, son­dern ihn auch für Jahrzehnte aus­bauen, wohl wis­send, dass das EEG bis in die Europäis­che Kom­mis­sion hinein mehr als umstrit­ten ist.

Unstrit­tig sollte aber sein, auch bei Ihnen, dass das EEG sich min­destens erhe­blichen, grundle­gen­den Verän­derun­gen unterziehen muss. Denn es muss erstens, wenn es in Zukun­ft Bestand haben soll, nach­haltig der Umgestal­tung der Energiev­er­sorgung dienen und nicht der Ren­ditev­er­sorgung, es muss zweit­ens natür­lich der Bezahlbarkeit dienen,

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und es muss drit­tens — das ist das Aller­wichtig­ste — der Ver­sorgungssicher­heit dienen, anson­sten macht das alles wenig Sinn.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der AfD)

Meine Damen und Her­ren, auch von den Grü­nen, ein jeglich­es hat seine Zeit. Das EEG hat seine Schuldigkeit getan. Für die 90er-Jahre war es ja möglicher­weise noch inno­v­a­tiv und hat den Erneuer­baren das Laufen beige­bracht. Aber wenn Sie nach 20 Jahren Ihrem eige­nen Kind immer noch Stützräder anbauen, dann müssen Sie sagen: Da haben wir irgend­was falsch gemacht. — Also, über­legen Sie mal, ob diese Hil­fe noch so notwendig ist. Wir sagen Nein. Wir brauchen für die 20er-Jahre eine neue, eine tech­nolo­gie­of­fene, eine inno­v­a­tive, eine mark­twirtschaftliche Instrumentengebung

(Lisa Bad­um (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben wir doch schon längst!

wie zum Beispiel den Emis­sion­shan­del, basierend auf Fak­ten, basierend auf Inno­va­tio­nen und nicht basierend auf Emotionen.

(Lisa Bad­um (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): ETS baut keine Erneuer­baren in Deutsch­land auf!)

Meine Damen und Her­ren, jed­wede Einen­gung, wie sie eben vom Kol­le­gen Hofre­it­er vorgenom­men wurde, auf nur einzelne Tech­nolo­gien und jede noch so gut gemeinte plan­wirtschaftliche Mikros­teuerung ist nicht mehr zeitgemäß.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der FDP und des Abg. Dr. Bruno Holl­nagel (AfD))

Mit dem Kli­maschutzpro­gramm 2030 — das muss nicht jedem gefall­en; ich bin auch nicht mit allen Maß­nah­men dort ein­ver­standen, aber man kann ja dran arbeit­en, dass es bess­er wird — liegt jet­zt ein Fahrplan vor, der fes­tlegt, was in der kom­menden Zeit auf den Weg gebracht wer­den soll.

Jet­zt wurde der Kohleausstieg schon ange­sprochen, Herr Kol­lege Hofre­it­er. Eins ist doch klar: Mit dem Verzicht auf die Kernen­ergie und mit dem Verzicht auf die Kohlever­stro­mung gehen wir das Risiko ein­er Oper­a­tion am offe­nen Herzen ein.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der AfD)

Das ist aus mein­er Sicht die größte finanzielle und die größte tech­nol­o­gis­che Herausforderung,

(Johann Saathoff (SPD): Genau! Mehr Erneuerbare!)

der sich die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land in diesem Bere­ich jemals gestellt hat. Das ist nicht von heute auf mor­gen erre­ich­bar, son­dern man muss da let­z­tendlich behut­sam vorge­hen. Dass das alt­back­ene EEG dabei hil­ft, da habe ich meine Zweifel.

Ehe man ver­sucht, alles in der Gesellschaft zu elek­tri­fizieren, wie Sie das eben ger­ade gesagt haben, also den Verkehr und auch die Haushalte,

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hat er über­haupt nicht gesagt!)

muss man über­legen, ob das wirk­lich Sinn macht oder ob man nicht bess­er mit ein­er guten Wasser­stoff­s­trate­gie, die jet­zt auf den Weg gebracht wurde, neue Energi­eträger gelän­degängig macht und am Ende des Tages nicht nur der Elek­tri­fizierung das Wort redet.

Vizepräsi­dent Wolf­gang Kubicki:

Herr Kol­lege, erlauben Sie eine Zwis­chen­frage aus der Frak­tion Bünd­nis 90/Die Grünen?

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Bitte schön.

Dr. Ingrid Nes­tle (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Danke schön, Herr Koep­pen. — Ich möchte ein­mal klarstellen, dass mein Kol­lege über­haupt nicht gesagt hat, dass alles elek­tri­fiziert wer­den muss; das ist eine Falschbe­haup­tung, die immer wieder auf­taucht. Es wird mehr elek­tri­fiziert wer­den, aber natür­lich nicht alles.

Sie haben daraufhin selb­st die Wasser­stoff­s­trate­gie ange­sprochen. In der Erneuer­baren-Strate­gie der Bun­desregierung ist ja eine Stag­na­tion des Stromver­brauchs bis 2030 vorge­se­hen. Es gibt also keinen Zuwachs für Dig­i­tal­isierung, es gibt keinen Zuwachs für Elek­tro­mo­bil­ität, es gibt keinen Zuwachs für Pow­er to Heat, bzw. Sie wollen das alles irgend­wie aus­gle­ichen durch Effizien­zgewinne, die Sie in der Ver­gan­gen­heit nie erre­icht haben.

Wenn Sie jet­zt eine Wasser­stoff­s­trate­gie fordern, möchte ich Sie fra­gen: Glauben Sie, dass diese Wasser­stoff­s­trate­gie ohne einen Heimat­markt auskommt? Glauben Sie, dass es von Anfang an, ab näch­stem Jahr, über Importe laufen wird, oder wollen Sie warten, bis die Importe da sind? Mit welchem erneuer­baren Strom soll Ihre Wasser­stoff­s­trate­gie unter­legt werden?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN — Sven-Chris­t­ian Kindler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): But­ter bei die Fische!)

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Das eine schließt das andere nicht aus.

(Wider­spruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Natür­lich müssen wir den inter­na­tionalen Markt und den Heimat­markt bedi­enen. Ich bleibe mal bei Wind onshore: Wenn wir unsere 30 000 Wind­kraftan­la­gen bis zum Jahre 2030 repow­ert haben, haben wir 70 GW. Die 70 GW, die wir fordern und die auch Sie fordern, haben wir dann, weil die Anla­gen über 3,5 MW haben wer­den. Das ist doch eine gute Regelung. Jet­zt haben wir 30 000 Anla­gen; bei 70 GW bräucht­en wir am Ende nur 20 000 Anla­gen. Also: Es ist genü­gend Platz für den Heimat­markt. Aber dass es nicht funk­tion­ieren kann, hier bei uns in Deutsch­land am Ende alles alleine schaf­fen zu wollen, ist Ihnen doch wohl auch klar.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Her­ren, sich nur auf Wind und Sonne zu konzen­tri­eren, zeugt natür­lich von einem gewis­sen beschränk­ten Energiehor­i­zont. Sie sagen ja: Wenn ein Anteil von 65 Prozent erneuer­bare Energien aus­gerollt ist, ist das Ziel erreicht.

(Wider­spruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit­nicht­en ist es dann erre­icht! Mit­nicht­en! Denn es ist erst dann erre­icht, wenn die 65 Prozent durch den Zäh­ler geflossen sind, und das ist der kleine, aber feine Unter­schied zwis­chen elek­trisch­er Leis­tung und elek­trisch­er Arbeit. Da müssen Sie sich noch mal ein biss­chen schlaumachen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der AfD)

Dabei kön­nen wir Ihnen aber helfen.

Ein Beispiel: Die benötigte Höch­st­last in Deutsch­land beträgt unge­fähr 85 GW. 120 GW erneuer­bare Energie sind bere­its über das EEG instal­liert und kosten jährlich über 30 Mil­liar­den Euro. Sie haben ger­ade auf den Heimat­markt abge­hoben; da muss man doch sehen: In Deutsch­land sind es beim Wind­strom an Land cir­ca 2 000 Stun­den, bei der Sonne 900 Stun­den. Aber wenn der Strom in der Menge der Höch­st­last, also diese 85 GW, 24 Stun­den am Tag und 365 Tage im Jahr da sein soll, dann macht das 8 760 Stun­den. Sie müssen doch sehen, dass da eine Lücke ist, die wir nie alleine nur mit Wind und Sonne füllen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und der AfD — Lisa Bad­um (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wollen Sie machen?)

Deshalb ist das, was Sie fordern, eine Schein­lö­sung. Selb­st wenn Sie die Anla­gen­zahl ver­dreifachen wür­den, würde es nicht aus­re­ichen, wäre die Ver­füg­barkeit immer noch volatil. Und das ist das Grundproblem.

Wind und Solar — da gebe ich Ihnen natür­lich uneingeschränkt recht — sind ohne Zweifel die wichtig­ste Säule der Energiewende, aber nicht die einzige; die Zahlen habe ich Ihnen ganz genau genan­nt. Sie allein kön­nen die Ver­sorgungssicher­heit nicht gewährleisten.

Was mich, sehr geehrter Herr Kol­lege Hofre­it­er, erschüt­tert, ist, wie Sie hier wieder und ins­ge­samt das ganze Spek­trum hier

(Enri­co Komn­ing (AfD): Linke Spektrum!)

mit den Anwohn­ern in den Windeig­nungs­ge­bi­eten umgehen.

(Bet­ti­na Stark-Watzinger (FDP): Sehr richtig!)

Das erschüt­tert mich aufs Tiefste.

(Beifall bei Abge­ord­neten der AfD und der FDP und des Abg. Andreas G. Läm­mel (CDU/CSU))

Sie fordern in Ihrem Antrag — ich zitiere -, dass man „auf Pauscha­l­ab­stände … verzichtet und stattdessen die beste­hen­den Abstand­sregelun­gen … als sin­nvollen Maßstab ver­wen­det“. Sie ziehen da das BIm­SchG her­an. Das BIm­SchG set­zt im Durch­schnitt 600 Meter fest. Sind Sie wirk­lich der Mei­n­ung, dass 600 Meter bei ein­er Anla­gen­größe von 250 Metern — und es sind Dutzende Anla­gen in einem Wind­park um die Wohnge­bäude — die aus­re­ichende Größe ist, ja oder nein? Dann stellen Sie sich hier hin und sagen das den Menschen!

(Beifall bei der CDU/CSU, der AfD und der FDP — Oliv­er Krisch­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann ändern Sie doch das Immissionsschutzgesetz!)

Ich sage Ihnen eins: Wenn Sie das sagen, dann soll­ten Sie mal bitte Ihr Ver­ständ­nis von Akzep­tanz über­prüfen. Zu Recht bekla­gen das Tausende Bürg­erini­tia­tiv­en. Sie block­ieren damit die Energiewende, weil Sie den Men­schen die Gele­gen­heit geben, sich dage­gen aufzulehnen.

(Wider­spruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das lehnen wir rig­oros ab.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU, der AfD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Anton Hofre­it­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deswe­gen sagen wir: Wir wollen eine bun­desweite Abstand­sregelung; die wird jet­zt auf den Weg gebracht. Der kön­nen Sie zus­tim­men, oder Sie kön­nen nicht zus­tim­men. Aber Sie müssen es den Leuten erk­lären, dass Sie am Ende auch für die Gesund­heit der Men­schen zuständig sind.

(Dr. Anton Hofre­it­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Vie­len Dank! Manch­mal rutscht Ihnen die Wahrheit ein­fach raus!)

Das Faz­it — das sage ich Ihnen als Let­ztes ver­söhn­lich -: Steigen wir von dem alten Klep­per EEG ab, und steigen wir um auf ein tragfähiges, auf ein solides und ein zukun­fts­fähiges Gefährt!

Vie­len Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Mar­tin Neu­mann (FDP))

Bild © Jens Koeppen