Rede im Plenum des Deutschen Bun­destages, am 28.06.2019, zum The­ma “Handw­erk: Meis­ter­brief / Meisterpflicht”.

Aus dem Plenarprotokoll:

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Vie­len Dank, Herr Präsi­dent. — Liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen! Im Jahre 2003, als die Handw­erk­snov­el­le aufgelegt wurde, war ich selb­st­ständi­ger Unternehmer und Handw­erksmeis­ter — ich bin immer noch Handw­erksmeis­ter, aber damals war ich noch aktiv -, und ich war dagegen.

Allerd­ings — das muss man sagen — war die Sit­u­a­tion damals eine vol­lkom­men andere. Das muss man auch gebührend würdi­gen. Die Sit­u­a­tion des Handw­erks und die Sit­u­a­tion der Wirtschaft hat sich seit 2003, seit der Handw­erk­snov­el­le, grundle­gend geän­dert. Damals hat­ten wir eine Arbeit­slosen­quote von 11 Prozent, fast 5 Mil­lio­nen Men­schen. Das Überange­bot an Aus­bil­dungswilli­gen und an qual­i­fizierten Gesellen war überdi­men­sion­al groß. Heute haben wir — Stand Mai 2019 — eine Arbeit­slosen­quote von unter 5 Prozent; das entspricht unge­fähr 2,2 bis 2,3 Mil­lio­nen Men­schen. Die Jugen­dar­beit­slosigkeit ist auf einem Tief­s­tand. Im Jahres­durch­schnitt liegt sie bei 7,4 Prozent. In der EU sind es immer­hin 12 Prozent. Die Abschaf­fung der Meis­terpflicht für 23 Berufe war daher — möglicher­weise — ver­ständlich. Das war gut gemeint, hat aber die Erwartun­gen nicht erfüllt.

Was ist stattdessen passiert? Eine Fehlen­twick­lung in vie­len Bere­ichen. Gute Gesellen haben die Meis­ter­be­triebe ver­lassen, haben gesagt: Okay, was der Alt­meis­ter kann, das kann ich schon lange; ich mache mich selb­st­ständig, ohne Meis­terpflicht. — In den Betrieben gemäß Anlage B ging die Zahl der Aus­bil­dungsstellen mas­siv zurück. Es gab einen spür­baren Qual­itätsver­lust, einen spür­baren Ver­trauensver­lust. Viele neue Betriebe sind ent­standen, aber die Zahl der Beschäf­ti­gungsver­hält­nisse ist nahezu gle­ich geblieben. Die Zahl der Solo-Selb­st­ständi­gen hat sich mas­siv erhöht. Und die Insol­ven­zen dieser Betriebe haben nicht lange auf sich warten lassen.

Jet­zt kann man fra­gen: War diese Fehlen­twick­lung vorherzuse­hen? Das ist reine Speku­la­tion. Wir müssen vielmehr schauen: Wie gehen wir mit der Fehlen­twick­lung um? Wie kann man dem ent­ge­gen­treten? Ich bin dafür, eben­so wie meine Kol­le­gin Astrid Grotelüschen, dass wir eher die Spitz­zange aus­pack­en als den Vorschlagham­mer; denn wir müssen mit Augen­maß und ergeb­nisori­en­tiert vorge­hen, ohne Aktionismus.

Wir wollen auch keine Rück­ver­meis­terung, Herr Kol­lege Chru­pal­la. Sie haben ja gesagt, Sie wollen eine Meis­terpflicht bei allen Gew­erken. Das ste­ht ja auch in Ihrem Antrag.

(Tino Chru­pal­la (AfD): Genau!) 19/11120

Ihr Antrag ist wirk­lich rel­a­tiv ein­fach gestrickt; denn Sie haben in Ihrem Antrag nur die ganzen Gew­erke aufge­führt und gesagt: Die müssen in die Meis­terpflicht zurück. — Sie wis­sen aber selb­st — vielle­icht wis­sen Sie es auch nicht; dann ich kann es Ihnen ja sagen -, dass Sie damit eine große Verun­sicherung in die Branche brin­gen. Warum? Weil eine bes­timmte Anzahl von Betrieben nicht rück­ver­meis­tert wer­den will; ich nenne ein­fach mal eine Zahl — das ist noch nicht scharf -: zwis­chen 25 und 30 Prozent der Betriebe. Möglicher­weise — das müsste man noch genau analysieren — will die gle­iche Prozentzahl an Betrieben rück­ver­meis­tert wer­den. Was machen Sie denn jet­zt mit den Betrieben, die das nicht wollen? Sie bekom­men ja auch entsprechende Post. Wollen Sie denen ein­fach sagen, dass Sie zurück müssen? Es gibt doch so etwas wie einen Bestandss­chutz. Das muss ver­fas­sungskon­form sein, das muss auch euro­parecht­skon­form sein.

(Tino Chru­pal­la (AfD): Das geht aber! Das haben Sie gesehen!)

By the way: Der Meis­ter kann immer gemacht wer­den, auch frei­willig, auch bei Betrieben, die keine Gefahren­geneigth­eit haben.

Da die Gemen­ge­lage so het­ero­gen ist, kön­nen Sie nicht ein­fach sagen: Es müssen alle wieder rein. — Damit schaf­fen Sie nicht nur Verun­sicherung, son­dern es beste­ht auch die Gefahr, dass Sie neben den­jeni­gen, die wieder reinkom­men kön­nen und reinkom­men dür­fen, am Ende auch einige außen vor lassen, weil das gesamte Gebilde ein­er ver­fas­sungsrechtlichen Prü­fung nicht stand­hält. Das müssen Sie ein­fach mit beachten.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU)

Was ist stattdessen zu tun? Wir brauchen eine euro­parechtlich und ver­fas­sungsrechtlich saubere Vorge­hensweise. Wir müssen den Bestandss­chutz akzep­tieren. Die ganzen Emo­tio­nen, die auch in den Briefen der Handw­erks­be­triebe zum Aus­druck kom­men — sowohl der­jeni­gen, die in der Meis­terpflicht bleiben wollen, als auch der­jeni­gen, die aus der Meis­terpflicht her­aus wollen -, müssen berück­sichtigt wer­den. Wir brauchen deswe­gen eine Qual­ität­sof­fen­sive. Wir brauchen Trans­parenz. Die Anhörun­gen im Min­is­teri­um haben gezeigt, dass klar gefragt wer­den sollte: Was bewegt euch? Warum wollt ihr in die Rolle A? Warum wollt ihr in der Rolle B1 bleiben? — Wir brauchen ein­deutige Kri­te­rien; dazu gehört natür­lich die immer wieder zitierte Gefahren­geneigth­eit. Was ist für den End­kun­den wichtig? Wir brauchen Ver­trauenss­chutz, Gewährleis­tung, Bestands­fes­tigkeit. Wir brauchen vor allen Din­gen, was mir sehr wichtig ist, die Stärkung der dualen Aus­bil­dung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die duale Aus­bil­dung nur stärken kön­nen, wenn ein Meis­ter­ti­tel eine aktive Rolle spielt. Das hat die Zeit seit 2003 bewiesen.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und des Abg. Man­fred Todten­hausen (FDP))

Der Meis­ter­ti­tel ist aus mein­er Sicht das Qual­itätssiegel schlechthin. Wir brauchen da gar nicht über irgendwelche Zer­ti­fikate nachzu­denken. Der Meis­ter an sich ist das Zer­ti­fikat für Qual­ität, für Aus­bil­dung, für Beständigkeit, für lange Beständigkeit am Markt. Meis­ter­be­triebe sind meist Fam­i­lienun­ternehmen. Deswe­gen brauchen wir uns über Qual­itätssiegel keine Gedanken zu machen.

Die Anhörung im Wirtschaft­sauss­chuss am Mittwoch hat das alles bestätigt. Nahezu alle Sachver­ständi­gen haben sich für die begrün­dete Rück­führung, nicht die all­ge­meine Rück­führung, in die Anlage A aus­ge­sprochen. Lassen Sie uns deswe­gen im Herb­st ein starkes Sig­nal an das deutsche Handw­erk senden und sagen: Wir haben euch ange­hört; wir wis­sen, worum es euch geht. — Denn eines ist klar: Ohne das Handw­erk ist alles nichts.

Vie­len Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sabine Poschmann (SPD))

Bild © Jens Koeppen