Rede im Plenum des Deutschen Bun­destages, 30.11.2018, TOP 22a, “Energiesam­melge­setz”.

Gern stelle ich Ihnen meinen Rede­beitrag als Video und als Auszug aus dem Ple­narpro­tokoll zur Verfügung.

Aus dem Plenarprotokoll:

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Vie­len Dank, Frau Präsi­dentin. — Liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen! Wie bei jed­er EEG-Nov­el­le war es auch dieses Mal ein schwieriges Unter­fan­gen, das soge­nan­nte Energiesam­melge­setz über die Rampe zu heben. Das ist aber auch kein Wun­der; denn es gibt, wie bei jed­er Geset­zge­bung in diesem Bere­ich, unter­schiedliche Mei­n­un­gen dazu, ein sehr ambiva­lentes Abstim­mungsver­hal­ten, aber auch eine gesellschaftliche Debat­te, die zeigt, dass sich an diesem The­ma die Geis­ter scheiden.

Auch dieses Mal sind wir aber — das bedauere ich sehr — zu sehr ins Mikro­man­age­ment gegan­gen. Wir haben zu viel über Vergü­tungssätze, über Fris­ten, über bei­hil­fer­echtliche Regelun­gen gesprochen, anstatt mal wirk­lich ans Eingemachte zu gehen. Hin­sichtlich der inno­v­a­tiv­en Neuaus­rich­tung der Energiev­er­sorgung haben wir nicht viel getan, son­dern wir haben gesagt, wir machen weit­er so. Das ist dem Ziel­d­reieck — Ver­lässlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit — nicht dienlich.

Den­noch regeln wir mit diesem Gesetz einige Punk­te. Auf diese will ich einge­hen, aber eben­so auf die Punk­te, die noch offen sind, wo wir noch Antworten zu geben haben. Vier Punk­te aus dem Sam­mel­suri­um sind mir wichtig zu betonen:

(Oliv­er Krisch­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Sam­mel­suri­um“ ist gut! „Sam­mel­suri­um“ trifft es!)

Erstens. Die KWK-Regelun­gen wur­den beschlossen. Sie hät­ten allerd­ings auch schon im 100-Tage-Gesetz beschlossen wer­den kön­nen. Allerd­ings wurde die KWK, die Kraft-Wärme-Kop­plung, immer in Geisel­haft genom­men. Sie war ein Junk­tim zu den geforderten Son­der­auss­chrei­bun­gen. Das ist dem The­ma nicht angemessen. Da müssen wir beim näch­sten Mal bess­er wer­den und jedes The­ma einzeln für sich abarbeiten.

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ging ja ums „Abar­beit­en“!)

Zweit­ens, und das ist ein Punkt, der sehr wichtig ist. Wir haben es nach vie­len Jahren geschafft, dass es eine bedarf­s­gerechte Nacht­be­feuerung gibt. Es ist auch an der Zeit, dass wir dem nervi­gen Blinken von Wind­kraftan­la­gen endlich ein Ende bere­it­en — bis Mitte 2020.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU)

Mir per­sön­lich und auch den Bürg­ern ist völ­lig egal, ob das mit Transpon­der­lö­sun­gen, Radar­lö­sun­gen oder son­st wie passiert. Es ist ein­fach an der Zeit, dass dieses nervige Geblinke endlich aufhört und die Anla­gen sich nicht schon bei Luft­be­we­gun­gen anschalten.

Drit­tens. Wir haben bei der PV-Vergü­tung dafür gesorgt — das müssen wir machen; das ist ja eine regelmäßige Anpas­sung -, dass es keine Über­förderung gibt. Wir haben aber auch für eine Berech­nung des Wirtschaftsmin­is­teri­ums und für eine Berech­nung der Branche gesorgt. Wir haben uns ein Mit­tel gesucht und gesagt: Es muss eine mod­er­ate Absenkung geben. Wir haben auch eine zeitliche Staffelung vorgegeben, sodass Ver­lässlichkeit beste­ht und die Anla­gen, die in Pla­nung sind, let­z­tendlich noch gebaut wer­den können.

Viertens: erste, allerd­ings sehr zaghafte Inno­va­tion­san­sätze. Bei der Son­der­auss­chrei­bung — immer­hin 8 GW — haben wir es geschafft — „geschafft“ in Anführungsstrichen -, 250 MW, Megawatt, in die Inno­va­tion­sauss­chrei­bung zu brin­gen. Das ist viel zu wenig, aber immer­hin ein erster Schritt in die richtige Rich­tung. Dort müssen wir weitermachen.

Aber — und dieses Aber ist sehr groß; es hat viele davon abge­hal­ten, dem offe­nen Herzens zuzus­tim­men — es gibt viel zu viele offene Fra­gen. Einige dieser Fra­gen möchte ich benennen:

Meine Damen und Her­ren, liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen, die Energiewende ist nur erfol­gre­ich, wenn sie mit den Bürg­ern zusam­men gestal­tet wird, wenn Akzep­tanz da ist. Wir haben wieder keine Antwort in Bezug auf die höhen­ab­hängi­gen Abstände der Wind­kraftan­la­gen zu Wohnge­bäu­den gefun­den. Das erregt mit­tler­weile den Unmut von Mil­lio­nen Bürg­ern in den Gebi­eten, in denen die Wind­kraftan­la­gen ste­hen. Sie sagen: Wir wollen endlich respek­tiert wer­den; wir brauchen höhen­ab­hängige Abstände zur Wohnbebauung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Mar­tin Neu­mann (FDP))

Darum wer­den wir uns in Zukun­ft viel inten­siv­er kümmern.

Zweit­ens. Es gibt zu viele offene Fra­gen und keine Antworten zur Syn­chro­nisierung des Net­zaus­baus mit dem Anla­gen­zubau. Ein Beispiel: Eine Förderung wird zurzeit nur für den reinen Anla­gen­zubau getätigt. Deshalb brauchen wir mehr Inno­va­tion­san­sätze. Deswe­gen brauchen wir mehr Nutzbarkeit. Wir müssen hin zur elek­trischen Arbeit statt nur zur elek­trisch aus­geroll­ten Leis­tung. Meine Damen und Her­ren, das ist eine Verpflich­tung, die wir uns in den näch­sten Wochen und Monat­en vornehmen müssen. Außer­dem wird die Volatil­ität, die Ver­füg­barkeit, viel zu wenig bedacht. Wir fördern den blind­en Zubau trotz — das muss man immer wieder sagen — der dro­hen­den Dunkelflaute.

Noch ein Punkt, der sehr wichtig ist: Wenn wir sagen, im Jahr 2030 wollen wir 65 Prozent Leis­tung aus erneuer­baren Energien, dann bedeutet das — wer einiger­maßen rech­nen kann, weiß das -, dass wir im Jahr 2030  30 000 Wind­kraftan­la­gen in Deutsch­land instal­lieren müssten.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Ungeheuerlich!)

Liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen — ich wende mich an alle, die nach mir reden -, sagen Sie mir bitte, wo in Deutsch­land zusät­zlich 30 000 Wind­kraftan­la­gen instal­liert wer­den sollen. Ich kann mir das nicht vorstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge­ord­neten der AfD und der FDP — Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schon mal was von Big Pow­er gehört?)

Eine ein­fache Rechenauf­gabe: Wir haben jet­zt schon 117 GW an instal­liert­er Leis­tung. Die Höch­st­last in Deutsch­land liegt bei 85 GW. Wenn wir noch 200 GW oder 300 GW aus­rollen, mit Wind­kraftan­la­gen oder Pho­to­voltaikan­la­gen, die Sonne aber nachts doch nicht scheint und der Wind nicht immer weht, dann ist doch die Frage: Macht es über­haupt Sinn, so viel auszurollen?

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben es immer noch nicht verstanden!)

Mit dieser Frage müssen wir uns ern­sthaft und ganz nüchtern beschäftigen.

(Oliv­er Krisch­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber was ist der Vorschlag?)

Wir müssen Antworten geben.

(Oliv­er Krisch­er (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Geben Sie mal eine!)

Deswe­gen gibt es bis zum März 2019 eine Arbeits­gruppe, in der wir uns inten­siv damit auseinan­der­set­zen müssen. 65 Prozent sind für uns keine Monstranz,

(Johann Saathoff (SPD): Ste­ht im Koalitionsvertrag!)

son­dern diese 65 Prozent sind an klare Voraus­set­zun­gen gebun­den, an die Net­z­di­en­lichkeit, an die nutzbare Energieerzeu­gung, an die Akzep­tanz, an den Flächen­ver­brauch, an Inno­va­tio­nen und an Speicher.

(Beifall bei Abge­ord­neten der CDU/CSU)

Meine Damen und Her­ren, die Anpas­sung ist drin­gend notwendig. Wir brauchen einen Sys­temwech­sel: vom Aktion­is­mus zur Ver­nun­ft. Wir müssen dafür sor­gen, dass die Energiewende in Zukun­ft ver­lässlich, sauber, wirtschaftlich und akzept­abel ist.

Vie­len Dank.

Bild © Jens Koeppen