Die ambitionierten Ziele des Koalitionsvertrages für einen netzverträglichen und kosteneffizienten Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der zunehmende grenzüberschreitende Stromhandel in Europa machen den zügigen Ausbau des Stromübertragungsnetzes in Deutschland dringend erforderlich. Zudem zeichnet sich auch in den Verteilernetzen erheblicher Ausbau- und Ertüchtigungsbedarf ab, um die steigenden Mengen an Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energien bewältigen und in den Markt integrieren zu können.
Diesem Ziel dient die in der letzten Woche vom Deutschen Bundestag beschlossene Novelle des Gesetzes zur Beschleunigung des Energieleitungsausbaus (NABEG-Novelle). Sie soll dazu beitragen, dass der Netzausbau weiter beschleunigt und die Stromnetze optimiert werden, um sie frühzeitig fit für die Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien zu machen.
Wir möchten Ihnen in diesem Rundschreiben einige der Regelungen vorstellen, mit denen der Ausbau und die Optimierung der Stromnetze verbessert und die Akzeptanz gesteigert werden sollen:
1. Regelungen zur Beschleunigung des Netzausbaus:
a. Bundesfachplanung:
Für neue länderübergreifende Vorhaben für Stromleitungen führt die Bundesnetzagentur (BNetzA) bisher eine Bundesfachplanung durch, um potenzielle Trassenkorridore großräumig zu untersuchen. Dieses Verfahren ist notwendig, um alle durch den Trassenverlauf betroffenen Interessen abzuwägen. Es ist allerdings auch ein sehr aufwendiges und langwieriges Verfahren.
Daher soll zukünftig in bestimmten Fällen auf die Bundesfachplanung verzichtet werden können, wenn eine bestehende Stromleitung nur erweitert oder durch eine neue ersetzt werden soll. Wenn ein Trassenkorridor bereits in Raumordnungsplänen oder dem Bundesnetzplan ausgewiesen ist, soll auch bei Neubauvorhaben auf die Bundesfachplanung verzichtet werden können. Die Bundesländer können künftig ebenfalls in diesen Fällen leichter auf Raumordnungsverfahren verzichten. Die Belange der Bürgerinnen und Bürger werden weiterhin umfassend im Rahmen des Planfeststellungsverfahren geprüft. Allerdings soll der Verzicht auf Bundesfachplanung nur für alle Abschnitte eines Vorhabens einheitlich möglich sein. Sobald für einen Abschnitt die Bundesfachplanung bereits abgeschlossen ist, muss sie auch in den anderen Abschnitten durchgeführt werden.
b. Anzeigeverfahren ausgeweitet:
Bei unwesentlichen Änderungen einer Stromleitung soll das Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsverfahren nicht mehr zwingend erforderlich sein. Dann können die Vorhabenträger auch das unbürokratische Anzeigeverfahren wählen. Das gilt insbesondere, wenn auf vorhandenen Strommasten Seile ersetzt oder zusätzliche hinzugefügt werden, sowie dann, wenn einzelne Masten ausgetauscht oder um bis zu 20 Prozent erhöht werden. Die Schutz- und Vorsorgeanforderungen zu elektrischen und magnetischen Feldern sind in jedem Fall einzuhalten. Auch die materiellen Umweltstandards bleiben erhalten.
Zusätzlich kann das Anzeigeverfahren für die Einführung innovativer Betriebsführungen einschließlich des Freileitungsmonitorings genutzt werden.
c. Vorausschauende Planung:
Damit kommende Entwicklungen der Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien auch im Netzbereich frühzeitig vorbereitet werden können, erhalten Netzbetreiber die Möglichkeit, Leerrohre direkt mitzuplanen. Wenn später der entsprechende Netzausbaubedarf bestätigt wird, können einfach Leitungen durch die schon vorhandenen Rohre gezogen werden. Das spart erheblich Zeit und Kosten und schont Umwelt und Anwohner sowie die Land- und Forstwirtschaft. Auch für die Verteilnetzebene werden Leerrohre für die spätere Erdkabelnutzung ermöglicht.
Grundsätzlich entscheidet die zuständige Behörde über die Zulassung von Leerrohren, aber auch der Gesetzgeber kann den Bedarf für Leerrohre gesetzlich durch Kennzeichnung im Bundesbedarfsplangesetz festlegen. Für das Vorhaben SuedOstLink ist dies unmittelbar in der NABEG-Novelle erfolgt. Allerdings gilt dies für SuedOstLink nur unter der Bedingung, dass sich durch den Lehrrohreinsatz die Trassenbreite im Vergleich zum heutigen Planungsstand (320 kV) nicht oder nur unwesentlich verbreitert, d.h. wenn neue Übertragungstechnologien eingesetzt werden (525 kV).
d. Vorzeitiger Baubeginn:
Werden bauvorbereitende Maßnahmen im Vorfeld des Planfeststellungsbeschlusses sorgfältige ausgeführt, kann dies die anschließende Bauausführung beschleunigen. Daher werden als bauvorbereitende Maßnahmen nun ausdrücklich auch Maßnahmen zur bodenschonenden Bauausführung, Kampfmitteluntersuchungen sowie archäologische Voruntersuchungen ergänzt. Gerade aus Naturschutzgründen dürfen einige Maßnahmen nur in begrenzten Zeitfenster durchgeführt werden. Daher ist es künftig möglich, den Baubeginn vorzeitig zuzulassen, damit der Netzbetreiber vorbereitende Baumaßnahmen durchführen kann, bevor der Planfeststellungsbeschluss vorliegt. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung bereits abgeschlossen ist und mit einer positiven Entscheidung der Genehmigungsbehörde gerechnet
werden kann.
e. Startschuss für die Einrichtung eines Artenschutzportals:
Der zusammen mit dem Gesetz beschlossene Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen sieht unter anderem vor, dass ein Internet-Artenschutzportal eingerichtet werden soll. Zweck des Portals ist es, Vorhabenträgern den Zugang zu natur- und artenschutzrelevanten Informationen zu erleichtern. Hierdurch sollen Doppeluntersuchungen für die meist langwierigen naturschutzrechtlichen Prüfungen eines Vorhabens vermieden werden. Auf dem Portal sollen ortsbezogene Informationen zusammengetragen werden, die den Schutzstatus von Gebieten sowie das Vorkommen besonders geschützter Tier- und Pflanzenarten enthalten. Zum Aufbau des Artenschutzportals wird die Bundesregierung aufgefordert, mit den relevanten Akteuren den Austausch über die Einrichtung eines Internet-Artenschutzportals aufzunehmen und dem Deutschen Bundestag im 4. Quartal dieses Jahres über den konzeptionellen Stand und den Zeitplan zur technischen Umsetzung zu berichten.
f. Trassenbegriff:
Um mehr Klarheit bei der Begriffsverwendung zu erreichen und bestehende Rechtsunsicherheiten zu reduzieren, wurde der Begriff der (Strom-)Trasse präzisiert. Demnach handelt es sich bei (Strom-)Trassen um die von einem Leitungsvorhaben in Anspruch genommene oder in ihrer sonstigen Nutzbarkeit beschränkte Fläche. In diesem Zusammenhang wurden auch die Begriffe Bestandstrasse, Zu- und Umbeseilung, Änderung des Betriebskonzepts sowie Ersatz- und Parallelneubau gesetzlich neu definiert.
2. Über die soeben dargestellten Regelungen zur Beschleunigung des Netzausbaus hinaus enthält das Gesetz eine Reihe weiterer wichtiger Änderungen des Energierechts:
a. Verbesserung der Akzeptanz für den Netzausbau:
Um die Akzeptanz für den Netzausbau zu verbessern, werden mit der NABEG-Novelle sog. Verschwenkungen der bisherigen Trassenverläufe erleichtert. Gegenwärtig führen Bestandstrassen, für die eine Ertüchtigung oder ein erheblicher Kapazitätsausbau geplant sind, oftmals sehr dicht an der Wohnbebauung vorbei. Durch die Neuformulierung des Trassenbegriffs soll es nun ermöglicht werden – sowohl auf Ebene der Übertragungsnetze als auch auf Ebene der Verteilnetzbetreiber – unbürokratische Lösungen mit den Anwohnern zu finden, ohne völlig neue Planungen für die Trassen auszulösen. Zudem besteht für Leitungen, die bisher nach Landesrecht genehmigt wurden, die Möglichkeit, diese ebenfalls zu verschwenken. Doppelte Leitungsführungen können so vermieden werden.
Mit der Gesetzesnovelle wird zudem klargestellt, dass für das Vorhaben Ultranet die Bundesfachplanung verpflichtend durchzuführen ist. Dies war eine wichtige Forderung vieler Bürgerinitiativen vor Ort.
b. Einbeziehung der erneuerbaren Energien und von Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK) ins Redispatch:
Gutachten belegen, dass sich durch die Einbeziehung von erneuerbaren Energien und KWK Anlagen in Maßnahmen zur Absicherung der Netzstabilität (Redispatch) 10 Prozent der derzeitigen Netzausgleichskosten einsparen lassen. Mit einer entsprechenden Anpassung des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) wird dieser Erkenntnis jetzt Rechnung getragen. Statt Kohleoder Kernkraftwerke hoch- oder runterzufahren, die oftmals weit vom betreffenden Netzengpass entfernt sind, können nunmehr im Bedarfsfall unter bestimmten Voraussetzungen auch Wind- oder Solaranlagen in der Nähe eines Netzengpasses abgeschaltet werden. In den kommenden Jahren können somit die von den Stromverbrauchern zu zahlenden Netzentgelte um rund 200 Mio. Euro jährlich entlastet werden.
Zudem wird die Zusammenarbeit der Übertragungs- und der Verteilernetzbetreiber gesetzlich gestärkt. Die Regelungen treten zum 1. Oktober 2021 in Kraft, um den Netzbetreibern ausreichend Zeit zur die Umsetzung der neuen Prozesse zu geben. Die notwendigen Vorbereitungskosten bei den Netzbetreibern werden über eine Anpassung der Anreizregulierungsverordnung (ARegV) durch die Regulierungsbehörde anerkannt. Für die Kosten, die ab 1. Oktober 2021 anfallen, sollen die Einzelheiten der Kostenanerkennung und ihrer Einstufung durch eine Novelle der ARegV geregelt werden, die das Bundeswirtschaftsministerium rechtzeitig vorlegen wird.
c. Entschädigungen für die Land- und Forstwirtschaft:
Die Land- und Forstwirtschaft ist vom Netzausbau erheblich betroffen. Deswegen wird ein verlässlicher und bundesweit einheitlicher Rechtsrahmen für die Entschädigung der Grundstückseigentümer sowie der Land- und Forstwirte geschaffen: Diese Vereinheitlichung schafft für alle Betroffenen bundesweit Rechtssicherheit. Die Dienstbarkeitsentschädigung wird bei Freileitungen von 20 auf 25 Prozent und bei Erdkabeln von 30 auf 35 Prozent erhöht. Darüber hinaus wird ein Beschleunigungszuschlag festgeschrieben. Die Union hat im Gesetzgebungsverfahren durchgesetzt, dass dieser von 50 auf 75 Prozent der Dienstbarkeitsentschädigung angehoben wurde. Dieser Zuschlag gilt dann, wenn die Bewilligung für eine gütliche Einigung innerhalb von acht Wochen notariell zustande kommt.
Bereits bestehende Rahmenverträge mit Öffnungsklauseln werden entsprechend berücksichtigt. Die Entschädigung kann auf drei Zahlungen in einem Zeitraum von 30 Jahren verteilt werden. Die Zahlung wird zudem vorgezogen und soll nun spätestens vier Wochen nach Eintragung der Dienstbarkeit in das Grundbuch erfolgen.
Außerdem wird eine Aufwandsentschädigung gezahlt; diese wird auf 500 Euro pro Grundstück erhöht. Im Übrigen werden alle eintretenden Schäden, z.B. Ernteausfälle während der Bauzeit oder Flur- und Aufwuchsschäden ersetzt. Im Forstbereich betrifft das insbesondere Zahlungen für das frühzeitige Abholzen von Bäumen und den Nutzungsausfall. Überdies werden Möglichkeiten geprüft, wie sich Grundstückseigentümer an Netzprojekten beteiligen können. Schließlich wird die Einführung einer Bundeskompensationsverordnung gesetzlich verankert. Diese soll in den kommenden Monaten vorgelegt werden und sicherstellen, dass bei Vorhaben des Bundes die landwirtschaftliche Nutzung so wenig wie möglich durch Kompensationsmaßnahmen zusätzlich beeinträchtigt wird.
d. Neue Rahmenbedingungen für ein nationales Offshore-Testfeld:
Die Offshore-Windenergie soll in den kommenden Jahrzehnten einen deutlich wachsenden Beitrag für die Stromversorgung erbringen. Ein neues Testfeld soll den notwendigen Raum bieten, um Innovationen bei Offshore-Windenergieanlagen zu erproben, damit sie später bei kommerziellen Windparks standardmäßig zum Einsatz kommen können. Durch neue Technologien werden Kostensenkungen forciert und die Anlagenhersteller im internationalen Wettbewerb gestärkt. Im WindSeeG und im EnWG werden die entsprechenden rechtlichen Grundlagen für ein solches Testfeld gelegt, das Platz für insgesamt höchstens 300 MW Wind-Leistung bieten soll. Die konkrete Fläche wird im Flächenentwicklungsplan ausgewiesen, den das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie bis zum 30. Juni 2019 vorlegen soll.
e. Verbraucherfreundliche Anpassung des Höchstwertes für Photovoltaik-Ausschreibungen:
Für Photovoltaik (PV) wird der Höchstwert in den nächsten Ausschreibungen auf 7,5 Cent/kWh abgesenkt. Im EEG 2017 wurde der Höchstwert noch mit 8,91 Cent/kWh festgelegt. Aufgrund der kommenden, hohen Ausschreibungsvolumina zeichnet sich ab, dass das Wettbewerbsniveau in den nächsten Ausschreibungsrunden absinken wird. Dadurch steigen die Zuschlagswerte. Da die Kosten der Solaranlagen tendenziell eher sinken, handelt es sich hierbei um reine Mitnahmeeffekte. Steigende Zuschlagswerte aufgrund mangelnden Wettbewerbs konterkarieren die bisherigen guten Ergebnisse der Ausschreibungen bei PV und führen zu unnötigen Zusatzkosten für die Stromverbraucher. Dem wird durch die Absenkung des Höchstwertes entgegengewirkt.
f. Bürokratieabbau im EEG/Abgrenzung Drittstrommengen:
Zahlreiche energieintensive Unternehmen, insbesondere auch kleinere und mittelständische Betriebe, haben sich in den letzten Wochen und Monaten über den hohen Bürokratieaufwand und die rechtlichen Unsicherheiten beklagt, die sich aus der Regelung zur Abgrenzung des von ihnen selbst verbrauchten Stroms und des von Dritten verbrauchten Stroms (z.B. Handwerker auf dem Firmengelände) ergibt. Um den Aufwand für die betroffenen Unternehmen zu reduzieren, wurde der Übergangszeitraum, in dem eine bürokratiearme Schätzung der Strommengen möglich ist, um ein Jahr verlängert.
Weiterhin haben wir in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass etwaige Fehler in der Meldung der Strommengen durch ein Unternehmen nicht automatisch zum Verlust der Entlastung von der EEG-Umlage führt. Damit schaffen wir die erforderliche Rechtssicherheit. Schließlich haben wir uns mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, die aktuellen Regelungen für Messen und Schätzen zeitnah so weiterzuentwickeln, dass bürokratische Belastungen möglichst weitgehend reduziert werden.
Verbesserung der Rahmenbedingungen für Kraft-Wärme- Kopplungsanlagen (KWK): Die aktuelle Regelung zur EEG-Umlage auf selbst genutzten Strom aus hocheffizienten und klimaschonenden KWK-Anlagen bedeutet für Anlagen im Leistungsbereich zwischen 1 und 10 MW, die zwischen August 2014 und Ende 2017 in Betrieb genommen worden sind, eine erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gegenüber der Rechtslage vor 2014. Aufgrund des neuen Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 28. März 2019, wonach die EEG-Entlastung der Industrie keine Beihilfe ist, eröffnet sich nunmehr die Möglichkeit, die KWK-Anlagen weiterhin von der EEG-Umlage zu entlasten.
Zu der von der CDU/CSU geforderten kurzfristigen Aufnahme einer entsprechenden Neuregelung in die NABEG-Novelle war die SPD leider nicht bereit. Daher haben wir uns mit dem Koalitionspartner darauf verständigt, das Bundeswirtschaftsministerium in einem Entschließungsantrag aufzufordern, noch vor der Sommerpause einen entsprechenden Vorschlag vorzulegen. Die CDU/CSU-Fraktion wird sich weiter dafür einsetzen, dass die betroffenen KWK-Anlagen sehr zeitnah Rechtssicherheit erhalten. Darüber hinaus haben wir die Regelung zur Reduzierung der EEG-Umlage für Eigenstromanlagen erweitert auf heizölbetriebene KWK-Anlagen, die bis 31. Dezember 2022 in Betrieb genommen werden. Hierdurch erhalten die betroffenen Akteure ausreichend Zeit zur Umstellung ihrer Geschäftsmodelle.
Jens Koeppen MdB, Dr. Joachim Pfeiffer MdB, Mark Helfrich MdB, Dr. Andreas Lenz
Bild © Jens Koeppen
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