Deutsch­land ist ein vielfältiges Land mit attrak­tiv­en Regio­nen in Nord, Süd, Ost und West. Diese Vielfalt ist eine große Stärke – und zugle­ich eine Her­aus­forderung. Denn je nach Region sind die Chan­cen auf Teil­habe sehr unter­schiedlich. Deshalb set­zt sich die Bun­desregierung für gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse ein. Ein Überblick.

Was ver­ste­ht die Bun­desregierung unter gle­ich­w­er­ti­gen Lebensverhältnissen?

Deutsch­land gehört zu den wohlhabend­sten Län­dern der Welt. Das zeigt sich in ein­er starken Wirtschaft, ein­er hohen Beschäf­ti­gungsrate und einem gut aus­ge­baut­en Sozial­staat. Für die Bun­desregierung ist es entschei­dend, dass alle Men­schen in Deutsch­land auf die Ressourcen und Möglichkeit­en unseres Lan­des gle­icher­maßen zurück­greifen kön­nen. Und zwar unab­hängig davon, ob sie in Nord, Süd, Ost oder West beziehungsweise in der Stadt oder auf dem Land leben. Noch sind die Teil­habechan­cen je nach Region aber sehr unterschiedlich.

Gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse heißt für die Bun­desregierung, diese Unter­schiede anzu­gle­ichen, und dabei beson­ders die demografis­che Entwick­lung zu berück­sichti­gen. Die Vielfalt unseres Lan­des darf nicht zu ungle­ichen Chan­cen führen.

Was untern­immt die Bundesregierung?

Um der ungle­ichen Entwick­lung ent­ge­gen­zuwirken, hat die Bun­desregierung im Juli 2018 die Kom­mis­sion “Gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse” ins Leben gerufen. Den Vor­sitz über­nahm das Bun­desin­nen­min­is­teri­um, den Co-Vor­sitz das Bun­des­land­wirtschafts- und das Bun­des­fam­i­lien­min­is­teri­um. Auf­trag war es, Vorschläge für eine gerechtere Verteilung der Ressourcen und Möglichkeit­en für alle in Deutsch­land leben­den Men­schen zu machen. In der Kom­mis­sion hat die Bun­desregierung eng mit den Län­dern, den kom­mu­nalen Spitzen­ver­bän­den und weit­eren Experten zusammengearbeitet.

Am 10. Juli 2019 hat das Bun­desk­abi­nett die Schlussfol­gerun­gen aus der Arbeit der Kom­mis­sion “Gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse” zur Ken­nt­nis genom­men. Und zugle­ich zwölf konkrete Maß­nah­men beschlossen, die der Bund umset­zen will. Geplant ist, — struk­turschwache Regio­nen in ganz Deutsch­land gezielt zu fördern,

- Arbeit­splätze in struk­turschwache Regio­nen zu bringen,
— Bre­it­band und Mobil­funk flächen­deck­end auszubauen,
— Mobil­ität und Verkehrsin­fra­struk­tur in die Fläche zu bringen,
— Dör­fer und ländliche Räume zu stärken,
— Städte­bauförderung und sozialen Woh­nungs­bau voranzubringen,
— eine faire Lösung für kom­mu­nale Altschulden zu finden,
— Engage­ment und Ehre­namt zu stärken,
— Qual­ität und Teil­habe in der Kinder­be­treu­ung zu sichern,
— Bar­ri­ere­frei­heit in der Fläche zu verwirklichen,
— das Miteinan­der der Bürg­erin­nen und Bürg­er in den Kom­munen zu fördern sowie
gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse als Richtschnur zu setzen.

Wie zeigen sich die Unter­schiede in den Regio­nen, ins­beson­dere zwis­chen Stadt und Land?

Eine entschei­dende Rolle spielt der demografis­che Wan­del. Auch wenn die Ein­wohn­erzahl Deutsch­lands ins­ge­samt ansteigt, gibt es immer mehr ältere Men­schen. Regio­nen kön­nen vom demografis­chen Wan­del sehr unter­schiedlich betrof­fen sein.

Aus struk­turschwachen und ländlichen Regio­nen wan­dern über­durch­schnit­tlich viele jün­gere Men­schen ab und ziehen in Städte. Beispiel­sweise für eine Aus­bil­dung, ein Studi­um oder einen Arbeit­splatz. In der Folge fehlen in den ländlichen Regio­nen Arbeit­skräfte, weil es dort immer weniger Men­schen im erwerb­s­fähi­gen Alter gibt. Zugle­ich sinkt in diesen Regio­nen die Gesamtzahl der Einwohner.

Demge­genüber steigt die Ein­wohn­erzahl in vie­len Städten und Metropol-Regio­nen an.

Wie wirken sich die Stadt/­Land-Unter­schiede konkret aus?

Drei Beispiele zeigen die Auswirkun­gen deutlich:

Die Sit­u­a­tion der ärztlichen Ver­sorgung. In Großstädten ist die Ärzte­dichte hoch, Patien­ten haben leicht Zugang zu Fachärzten. In Kle­in­städten dage­gen ein anderes Bild: Hier müssen mitunter Kranken­häuser schließen. Patien­ten müssen in ländlichen Regio­nen oft weit­ere Wege in Kauf nehmen, um zum gewün­scht­en Facharzt zu kom­men. Die Lage auf dem Woh­nungs­markt. In den Städten herrscht häu­fig Man­gel an bezahlbarem Wohnraum.

Entsprechend lange und ner­ven­raufreibend dauert die Woh­nungssuche. Auf dem Land sind Woh­nun­gen oft deut­lich gün­stiger. Hier haben Ver­mi­eter mitunter mit Leer­stän­den zu kämpfen. Die Ver­sorgung mit Schulen und Kita-Plätzen. In Städten herrscht großer Bedarf an Kitas und Schulen.

Län­gere Anmelde­fris­ten beispiel­sweise für einen Kita-Platz sind oft die Folge. In ländlichen Regio­nen ist es zumeist ein­fach­er, einen Platz zu bekom­men. Ältere Kinder müssen hier hinge­gen oft weit­ere Schul­wege in Kauf nehmen. Ins­ge­samt umfassen die Unter­schei­de die gesamte Einkom­mens- und Beschäf­ti­gungssi­t­u­a­tion sowie die Infra­struk­tur und Daseinsvor­sorge. Es geht bei gle­ich­w­er­ti­gen Lebensver­hält­nis­sen also um Arbeit­splätze, schnelles Inter­net, wohnort­na­he Kitas, Schulen und Ärzte, eine gute Verkehrsan­bindung und Nahversorgung.

Wird der Osten Deutsch­lands bei der Schaf­fung gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse beson­ders in den Blick genommen?

Kri­teri­um für Maß­nah­men zur Schaf­fung gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse ist nicht die Him­mel­srich­tung. Son­dern vielmehr, ob es sich um eine struk­turschwache Region han­delt. Die wirtschaftliche Angle­ichung zwis­chen Ost und West hat die Bun­desregierung im Rah­men des Sol­i­darpak­tes II umfassend unter­stützt. Nun geht es darum, ein neues gesamt­deutsches Förder­sys­tem für struk­turschwache Regio­nen zu schaf­fen. Dieses soll die aktive Struk­tur­förderung nach 2019 fortsetzen.

Wie unter­stützt die Bun­desregierung den Struk­tur­wan­del in Ostdeutschland?

Ins­ge­samt ist der Osten Deutsch­lands auf einem guten Weg. Die Lage auf dem Arbeits­markt hat sich grundle­gend verbessert. Die Wirtschaft­skraft wächst und erre­icht heute drei Vier­tel des west­deutschen Niveaus. Struk­turschwache Regio­nen in Ost­deutsch­land wer­den wie solche ander­swo in Deutsch­land inner­halb des neuen gesamt­deutschen Förder­sys­tems unter­stützt. Des Weit­eren wird der Osten deut­lich vom Mobil­funk- und Bre­it­ban­daus­bau sowie durch Investi­tio­nen in eine erre­ich­bare Grund­ver­sorgung und attrak­tive, lebendi­ge Ortskerne prof­i­tieren. Um die Zivilge­sellschaft und das bürg­er­schaftliche Engage­ment zu stärken, wird die Bun­desregierung eine deutsche Stiftung für Engage­ment und Ehre­namt ein­richt­en, mit Sitz in einem ost­deutschen Flächenland.

In den Kohlere­gio­nen schafft die Bun­desregierung mit dem Ende August beschlosse­nen Struk­turstärkungs­ge­setz die Voraus­set­zun­gen für die Mod­ernisierung der Wirtschaftsstruk­turen und neue zukun­fts­fähige Arbeit­splätze. Auch hier­von wird der Osten Deutsch­lands erhe­blich profitieren.

Zudem plant die Bun­desregierung weit­ere Neu- und Aus­grün­dun­gen von Bun­des­be­hör­den in den neuen Län­dern. So soll in Fre­ital bei Dres­den ein zweit­er Stan­dort des Bun­de­samtes für Sicher­heit in der Infor­ma­tion­stech­nik entste­hen. Das Bun­desin­sti­tut für Bau‑, Stadt- und Raum­forschung mit Sitz in Bonn und Berlin soll eine zusät­zliche Außen­stelle im Lausitzer Revi­er im Raum Cot­tbus aufbauen.

Warum sind der Bun­desregierung gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse so wichtig?

Nach Auf­fas­sung der Bun­desregierung ist die Schaf­fung gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse pri­or­itäre Auf­gabe der Poli­tik. Es geht darum, Deutsch­land zukun­fts­fest zu machen und ländliche wie städtis­che Regio­nen nach­haltig attrak­tiv, wirtschaftlich vital und lebenswert zu gestal­ten. Die Men­schen in Deutsch­land sollen nach Möglichkeit in jedem Ort des Lan­des ihr Leben nach ihren Vorstel­lun­gen und indi­vidu­ellen Inter­essen ver­wirk­lichen kön­nen. Über­all mit den gle­ichen Möglichkeit­en zur Teil­habe am Arbeit­sleben und an der Gesellschaft. Dies sichert den Zusam­men­halt in unserem Land, der von entschei­den­der Bedeu­tung ist.

Wie schnell lassen sich gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse verwirklichen?

Im Juli dieses Jahres hat das Bun­desk­abi­nett die Vorschläge der Bun­desregierung zur Umset­zung der Ergeb­nisse der Kom­mis­sion “Gle­ich­w­er­tige Lebensver­hält­nisse” beschlossen. Damit hat sie die Weichen für die Schaf­fung gle­ich­w­er­tiger Lebensver­hält­nisse gestellt. Das ist natür­lich nur ein Start­punkt, dem ein langer Prozess fol­gen wird, in dieser Leg­is­laturpe­ri­ode und weit darüber hin­aus. Die Bun­desregierung wird sich in jedem Fall mit Nach­druck für faire Chan­cen aller Bürg­erin­nen und Bürg­er in Deutsch­land auf echte Teil­habe einsetzen.

Bild © Jens Koeppen