Der Bundestag hat am 8. November 2018 das Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung beschlossen.
Allgemeine Erläuterungen zur Mütterrente (Kindererziehungszeit)
Die sogenannte Mütterrente ist keine eigenständige Sozialleistung oder eine neue Rentenart. Wenn von der „Mütterrente“ gesprochen wird, handelt es sich um die Anrechnung von weiteren Versicherungszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung für die Person, die ein Kind in den ersten Lebensjahren überwiegend erzogen hat. (Kindererziehungszeit)
Damit wird die Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren rentenrechtlich wie eine Beschäftigung gegen Entgelt bewertet und so einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zum Durchschnittsverdienst gleichgestellt. Für ab dem 1. Januar 1992 geborene Kinder werden die ersten drei Lebensjahre des Kindes in der Rentenversicherung berücksichtigt.
Für vor 1992 geborene Kinder wurde bis Juni 2014 nur das erste Lebensjahr anerkannt. Durch das Leistungsverbesserungsgesetz 2014 wurde die Anerkennung ab 1. Juli 2014 schon um ein zweites Jahr verlängert (Mütterrente I).
Ab 1. Januar 2019 wird nun für jedes Kind, welches vor dem Jahr 1992 erzogen wurde, die Kindererziehungszeit um ein halbes Jahr verlängert (Mütterrente II), so dass für diese Kinder nunmehr zweieinhalb Jahre angerechnet werden.
Zur Finanzierung der Mütterrente:
Die Aufwendungen für Kindererziehungszeiten werden nach § 177 SGB VI durch den Bund getragen. Für jedes Kind, zahlt der Bund somit Beiträge in die Rentenversicherung ein. Im Bundeshaushalt waren für das Jahr 2018 an Beiträgen des Bundes für Kindererziehungszeiten 14,3 Milliarden Euro ausgewiesen.
Gemäß des Rentenversicherungsberichts der Bundesregierung 2017 beliefen sich die Ausgaben der Rentenversicherung aufgrund der Anrechnung von Kindererziehungszeiten auf ca. 13,9 Mrd. Euro. Daraus wird deutlich, dass die Aufwendungen für Kindererziehungszeiten nicht systemwidrig durch die Beitragszahler finanziert wurden und werden. Vielmehr werden die Ausgaben für Kindererziehungszeiten im Wege der Umlage durch Beiträge gedeckt, wie die gesamte Rentenzahlung im Übrigen auch.
Noch deutlicher wird es, wenn man sich die Zahlen in der Vergangenheit ansieht. Bis zum Inkrafttreten des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes am 1. Juli 2014 (Mütterrente I) wurden tatsächlich durch den Bund weit höhere Beiträge für Kindererziehung in die Rentenversicherung gezahlt als diese Aufwendungen für Kindererziehungszeiten hatte. So zahlte der Bund zu dieser Zeit jährl. ca. 12 Mrd. Euro Beiträge für Kindererziehung bei gleichzeitigen Aufwendungen der Rentenversicherung in Höhe von ca. 6,3 Mrd. Euro (vgl. Rentenversicherungsbericht 2014). Damit sind aus unserer Sicht in der Nachhaltigkeitsrücklage der Rentenversicherung entsprechend der Einzahlungen in die Rentenversicherung neben den Beiträgen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auch Steuermittel durch die Bundeszuschüsse und Beiträge des Bundes anteilig enthalten. Die Rentenversicherungsberichte der Jahre 2014 bis 2017 sind über die Internetseite des BMAS abrufbar.
Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen und Stabilisierung in der gesetzlichen Rentenversicherung (Inkrafttreten 1. Januar 2019) sind ca. 3,8 Mrd. Euro Mehrausgaben für die Mütterrente II veranschlagt. Aufgrund der gesetzlich festgelegten Fortschreibungsformeln werden auch die Beiträge des Bundes für Kindererziehungszeiten höher ausfallen. Dies ist z.B. der Gesetzesbegründung des Leistungsverbesserungsgesetzes 2014 zu entnehmen.
Ferner wird aber auch durch die sogenannte doppelte Haltelinie sichergestellt, dass mögliche Finanzierungslücken ggf. mit zusätzlichen Bundesmitteln gedeckt werden. Des Weiteren leistet der Bund in den Jahren 2022 bis 2025 Sonderzahlungen von zunächst 500 Millionen Euro jährlich.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Bund in der Vergangenheit regelmäßig höhere Beiträge für Kindererziehungszeiten gezahlt hat, als die Rentenversicherung tatsächlich dafür Ausgaben hatte. Damit ist in den Rücklagen der Rentenversicherung auch ein erheblicher Anteil dieser Beitragsleistung enthalten. Erst seit 2014 durch die Einführung der Mütterrente I haben sich die Beträge angenähert. Jedoch überstiegen die Ausgaben weiterhin nicht die Beitragszahlung des Bundes. Der Vorwurf, die Ausgaben würden alleine oder überwiegend den Beitragszahlern auferlegt, ist damit so nicht haltbar.
Warum wird die Mütterrente auf die Grundsicherung angerechnet?
Eine Kindererziehungszeit ist genauso wie die Versicherungszeit als Arbeitnehmer eine Beitragszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Grundsicherung ist eine sogenannte nachrangige Fürsorgeleistung. Das heißt, Anspruch auf Grundsicherungsleistungen besteht nur, wenn das eigene Einkommen nicht ausreicht, den notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dabei ist eine Rente aus der Rentenversicherung ebenfalls als Einkommen zu betrachten. Folglich sind auch die auf der Kindererziehung beruhenden Anteile der Rente, wie auch die auf eigener Beitragsleistung beruhenden Anteile, bei der Prüfung des Grundsicherungsbedarfs als Einkommen zu werten. Würde man die Rentenanteile aus Erziehungszeiten außer Betracht lassen, würden Kindererziehungszeiten gegenüber einer tatsächlichen Beschäftigung nicht nur gleich‑, sondern bessergestellt.
Eine tatsächliche Beitragszahlung z.B. eines Arbeitnehmers sollte aber nicht gegenüber einer Kindererziehungszeit, für die kein eigener Beitrag gezahlt wurde, benachteiligt werden.
Zur Anrechnung bei Adoptiveltern:
Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung werden für adoptierte Kinder in der Regel unter den gleichen Bedingungen anerkannt wie für leibliche Kinder. Außerdem können auch Stief- und Pflegeeltern unter den gleichen Voraussetzungen Kindererziehungszeiten erhalten. Maßgeblich ist dabei die Erziehung eines Kindes. Darauf, wer das Kind geboren hat, kommt es hinsichtlich des Leistungsanspruches nicht an.
Gleichwohl kann es dazu kommen, dass Adoptiveltern Kindererziehungszeiten nicht angerechnet werden können. Denn zu den Bedingungen, unter denen eine Anrechnung erfolgt, gehört die Zuordnung von Kindererziehungszeiten zu einem bestimmten Zeitraum. Dieser beginnt nach Ablauf des Monats der Geburt und endet für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind nun nach 30 Kalendermonaten. Eine (ggf. teilweise) Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei Adoptiveltern setzt somit voraus, dass die Adoption vor Ablauf dieses Zeitraums erfolgte.
Adoption nach dem 24. aber vor dem 30. Kalendermonat:
Die Leistungsverbesserung der Mütterrente II kann auch für Adoptiveltern zu einer längeren anzurechnenden Kindererziehungszeit oder ggf. dazu führen, dass im Vergleich zur früheren Rechtslage überhaupt erst ein Anspruch auf Kindererziehungszeiten entsteht, wenn die Adoption nach dem zweiten Lebensjahr erfolgte.
Allerdings ist diesbezüglich zu beachten, dass für Personen, die bereits eine Rente beziehen, die Leistungsverbesserung der Mütterrente II aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität in Form eines pauschalen Zuschlags erfolgt, wenn in der Rente bereits eine Kindererziehungszeit für den vierundzwanzigsten Monat nach Ablauf des Monats der Geburt angerechnet wurde. Diese pauschalierende Vorgehensweise ist erforderlich um die reibungslose Einbeziehung auch der Rentnerinnen und Rentner in die verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten zu gewährleisten.
Durch die automatisierte Vorgehensweise wird die Kindererziehungszeit bei Rentnern nach dem zweiten Lebensjahr des Kindes pauschal zugeordnet, was den tatsächlichen Verhältnissen in den ganz überwiegenden Fällen entsprechen dürfte. Daher ist eine Anrechnung bei der Adoptivmutter ausgeschlossen, wenn z.B. die leibliche Mutter bereits einen Zuschlag in ihrer eigenen Rente erhalten hat.
Um besondere Härten zu vermeiden gibt es aber für Adoptiveltern ab 2019 ein neues Antragsrecht, wenn die Adoption erst nach dem 12. beziehungsweise 24. Kalendermonat nach dem Monat der Geburt erfolgte. Voraussetzung für die Anerkennung ist aber, dass nicht schon anderen Versicherten oder Hinterbliebenen für dasselbe Kind Kindererziehungszeiten oder Zuschläge anzurechnen sind. Hierfür muss eine Einzelfallprüfung durch den Rentenversicherungsträger erfolgen. In diesem Fall empfehlen wir Ihnen, mit Ihrem Rentenversicherungsträger in Kontakt zu treten.
Mütterrente für politisch Verfolgte in der ehemaligen DDR
Wer wegen einer aus rechtsstaatswidrigen Gründen zu Unrecht erlittenen Haft in der ehemaligen DDR seine Kinder nicht erziehen konnte, wird zukünftig so gestellt als wenn die Kindererziehung tatsächlich stattgefunden hätte. Dafür ist es auch unerheblich, ob die Kindererziehungszeit bereits einer anderen Person anerkannt wurde.
Bild © Jens Koeppen
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