Rede im Plenum am 13.12.2018, Top 4, Meisterbrief/Meisterpflicht.
Gerne stelle ich Ihnen die Rede auch als Ausschnitt aus dem Plenarprotokoll zur Verfügung:
Jens Koeppen (CDU/CSU):
Vielen Dank, Herr Präsident. — Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau 15 Jahren, am 1. Januar 2004, hat die damalige rot-grüne Bundesregierung eine neue Handwerksnovelle auf den Weg gebracht. Diese Handwerksnovelle hatte zum Ziel, 53 Handwerksberufe aus der Anlage A der Handwerksordnung in die Anlage B einzutragen und die Meisterpflicht für diese 53 Berufe abzuschaffen. Ich mache es mir jetzt nicht einfach und es ist auch nicht trivial, wenn ich sage: Da wurde falsch gehandelt. Zur damaligen Zeit — das muss man denjenigen, die diese Änderung gemacht haben, zugestehen — gab es eine verdammt hohe Arbeitslosigkeit, gab es viele Ausbildungswillige, die Zuhause gesessen haben und ausgebildet werden wollten. Deswegen war das, obwohl ich es für falsch hielt, aus damaliger Sicht absolut nachvollziehbar und verständlich.
Aber die Erwartungen, die daran geknüpft wurden — das ist nun einmal bei Gesetzen und Verordnungen so -, wurden nicht erfüllt. Es gab — wie soll ich sagen? — eine Fehlentwicklung. Was ist passiert? Die Gesellen sind aus den guten Meisterbetrieben abgewandert und haben gesagt: Dass, was der Alte kann, kann ich schon lange. — Sie haben sich letztendlich selbstständig gemacht. Das führte dazu, dass die Zahl der Auszubildenden zurückging; denn als Nichtmeisterbetrieb haben sie nicht die Voraussetzung gesehen, auszubilden. Es gab einen Qualitätsverlust, der nachweisbar ist. Es gab einen Ausbildungsrückgang. Viele Betriebe haben sich neu gegründet, aber es waren in erster Linie Soloselbstständige, unter anderem auch aus Osteuropa. Es entstand ein Lohndumping, eine Preisspirale nach unten, ein Preiswettbewerb, der die Qualität beeinflusst hat. Deswegen sagen wir schon länger: Wir müssen etwas tun. Das haben wir im Koalitionsvertrag auch so festgehalten.
Ich selbst bin gelernter Elektromonteur und Elektromeister für Industrieelektronik und Elektromeister für das Elektroinstallateurhandwerk. Ich habe diese Entwicklung immer für falsch gehalten. Herr Todtenhausen, da haben wir etwas gemeinsam.
(Manfred Todtenhausen (FDP): Ja!)
Aber was mich besonders bedrückt: Warum haben wir verlernt, wirklich stolz auf das deutsche Handwerk zu sein und zu sagen, es ist systemrelevant?
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es gibt 1 Million Betriebe mit 5,5 Millionen Beschäftigte. Das deutsche Handwerk macht 560 Milliarden Euro Umsatz. Es gibt über 21 000 bestandene Meisterprüfungen, über 96 000 bestandene Gesellenprüfungen, und — das finde ich sehr gut; das passt vielleicht auch für die Politik; diese Zahl wünscht sich jeder — 85 Prozent der Deutschen vertrauen nach Umfragen immer noch dem deutschen Handwerk. Das ist eine absolut klasse Zahl und Entwicklung.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP — Manfred Todtenhausen (FDP): Das ist gut!)
Wie können wir jetzt diese Fehlentwicklung stoppen und möglicherweise umdrehen? Zwei Anträge liegen vor. Ich möchte zu den Anträgen sagen: Ja, das, was dort beschrieben wurde — auch im Antrag der AfD -, kommt von den Verbänden, den Kammern. Das, was dort steht, ist letztendlich eine Binsenwahrheit. Aber, was bei Ihrem Antrag zu kritisieren ist, ist, dass Sie eine sogenannte Rückvermeisterung wollen. Das geht in die Hose. Das kann ich Ihnen sagen. Wir müssen schauen, wie wir das machen. Eine Rückvermeisterung kann nicht stattfinden; denn viele Betriebe wollen gar nicht zurück in die Anlage A und viele Betriebe, wenn wir es richtig sehen, können auch nicht zurück. Da geht es nicht um den Instrumentenbauer; da geht es auch nicht um verschiedene Gewerke, die das wollen. Wir müssen dies mit Sinn und Verstand angehen. Es nützt uns auch kein Aktionismus. Wir müssen hier behutsam und mit einem transparenten Verfahren vorgehen. Es ist nun einmal rechtlich, insbesondere europarechtlich, eine sehr heterogene Gemengelage. Wir müssen schauen, was mit dem Bestandsschutz ist — Astrid Grotelüschen hat es gerade angesprochen -, weil sich gerade viele Betriebe eingerichtet haben und so weiter agieren wollen. Das ist auch möglich. Die Betriebe, wie Sie beschrieben haben, alle aus der Anlage B zu löschen und in die Anlage A einzutragen, wird nicht funktionieren. Das kann auch gar nicht funktionieren, schon gar nicht, wenn sie einmal gelöscht sind. Wo sollen sie hin, etwa zur IHK? Frau Kollegin Poschmann hat es schon angesprochen. Also: kein Aktionismus, sondern behutsames Vorgehen.
Sie haben auch — deswegen erledigt sich der FDP-Antrag ein bisschen — gefordert, dass die Entwicklung durch Gutachten begleitet werden soll. Diese beiden Gutachten sind auf dem Weg. Es hat sich jetzt ein bisschen überschnitten. Haben Sie noch nicht beide Gutachten? Sind Sie schon da? Das weiß ich jetzt gar nicht.
(Manfred Todtenhausen (FDP): Doch!)
Professor Burgi untersucht die rechtlichen Möglichkeiten, und Professor Haucap und Professor Rasch überprüfen die ökonomischen, die volkswirtschaftlichen und die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen. Diese Gutachten sind auf dem Weg. Wir werden jetzt eines machen: Wir werden mit allen Branchen Anhörungen durchführen. Das ist eine Menge Arbeit. Wie wir das machen, wissen wir noch nicht. Aber wir müssen es machen, um den Leuten das Gefühl zu geben, dass wir es ernst meinen. Dabei werden wir klare Kriterien festlegen. Die Gefahrengeneigtheit wird immer wieder genannt, sie wird in diesen Kriterien enthalten sein, auch der Vertrauensschutz. Was nützt es uns, wenn die Gewährleistung bei so vielen Solobetrieben, die in die Insolvenz gehen, nicht mehr vorhanden ist? Hier spielt die Bestandsfestigkeit der Betriebe eine Rolle. Die Ausbildung wird eine Rolle spielen. Die Qualität wird eine Rolle spielen.
Alles in allem bitte ich darum, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten, sondern behutsam an die Thematik heranzugehen. Von mir aus können wieder so viele Meisterbetriebe wie möglich zugelassen werden, damit die Qualität wieder steigt, aber wir müssen hier mit der Spitzzange statt mit dem Brecheisen oder mit der Holzhammermethode agieren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Manfred Todtenhausen (FDP) — Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU): Gut, wenn einer etwas von der Sache versteht!)
Bild © Jens Koeppen
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