Rede im Plenum des Deutschen Bun­destages, am 09.05.2019, TOP 4, zum The­ma Energiepolitik.

 

Auszug aus dem Plenarprotokoll:

Jens Koep­pen (CDU/CSU):

Vie­len Dank. — Herr Präsi­dent! Liebe Kol­legin­nen und Kol­le­gen! Ein europäis­ch­er Ansatz in der Klimapoli­tik ist nicht nur richtig und wichtig, son­dern er ist Voraus­set­zung dafür, dass die Energiewende, dass die Energiepoli­tik im Sinne des Ziel­d­reiecks gelingt. Da gebe ich Ihnen, liebe Kol­le­gin Beer, uneingeschränkt recht.

(Beifall bei Abge­ord­neten der FDP)

Der Antrag der FDP ist sehr kon­se­quent und gut struk­turi­ert, und demzu­folge ist an dem Antrag auch nicht viel herumzumäkeln.

(Beifall bei der FDP — Nico­la Beer (FDP): Dann kön­nen Sie ja zustimmen!)

Wer die energie- und klimapoli­tis­chen Ziele alleine in Deutsch­land erre­ichen will, der wird scheit­ern, übri­gens unab­hängig von der entsprechen­den Regierungskon­stel­la­tion. Nationale Lösun­gen sind auf­grund der Ver­füg­barkeit­en der Ressourcen, der einzel­nen Energiequellen, aber auch auf­grund der hohen Kosten von nationalen Alle­ingän­gen schlichtweg unsinnig.

Aber: Europa gut, alles gut? Das wäre zu schön. Europa allein ist auch nicht die Lösung; denn Europa ist kein homo­gen­er Staat mit ein­heitlichen Inter­essen. Es gibt nationale Inter­essen. Allein die Diskus­sio­nen über Nord Stream 2 — Sie haben darauf hingewiesen — zeigen, dass es inner­halb der Europäis­chen Union sehr unter­schiedliche Posi­tio­nen gibt.

(Zuruf von der AfD: In Ihrer eige­nen Partei!)

Deswe­gen brauchen wir einen europäis­chen Ansatz.

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wollen Sie Kli­maschutz oder nicht?)

Ihre Punk­te sind sehr klar for­muliert. Ich bin mir allerd­ings nicht sich­er, ob andere Län­der in Europa unsere Posi­tion ein­fach eins zu eins übernehmen.

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hof­fentlich nicht!)

Deshalb brauchen wir, bevor solche Anträge vorgelegt wer­den, eine europäis­che Diskus­sion über Lösungsan­sätze, in der wir ver­suchen, die anderen Län­der von unseren Vorschlä­gen zu überzeu­gen. Wir soll­ten nicht ver­suchen, unsere Lösun­gen den anderen Län­dern ein­fach überzustülpen.

Richtig ist: Wir müssen klar for­mulieren, was wir wollen und wo unsere Inter­essen liegen. Genau­so richtig ist es aber, dass wir von der Bun­desregierung nicht erwarten kön­nen, dass sie ein­fach ein­mal so nach Brüs­sel geht und unsere Posi­tio­nen eins zu eins durch­set­zt. Das ist auch ein biss­chen der Makel an Ihrem Antrag. Warum bezieht denn die Europäis­che Union nicht auch andere Sek­toren in den Emis­sion­shan­del ein? Ich glaube, das scheit­ert nicht an Deutsch­land. Wir kön­nen das in Deutsch­land aber nicht allein beschließen. Dazu brauchen wir die anderen Mit­glied­staat­en. Richtig ist aber auch: Viele Prob­leme der Energiewende liegen nicht bei unseren europäis­chen Nach­barn, son­dern sie liegen bei uns. Deswe­gen müssen wir unsere Hausauf­gaben machen,

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha!)

auch — liebe Frau Ver­lin­den — unab­hängig von jed­wed­er Regierungskon­stel­la­tion. Ich möchte ein paar Beispiele nen­nen, in welchen Bere­ichen wir unsere Hausauf­gaben zu machen haben, wo die Säge noch richtig klemmt.

Erstes Beispiel ist das gut gedachte, aber mit­tler­weile völ­lig aus dem Rud­er gelaufene EEG.

(Chris­t­ian Dürr (FDP): Ja!)

Hier müssen wir endlich das gesamte Sys­tem vom Kopf auf die Füße stellen.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Sylvia Pan­tel (CDU/CSU) — Chris­t­ian Dürr (FDP): Abschaffen!)

Denn Europa schaut sehr genau, wie wir das machen. Es schaut sehr genau auf die Kosten, die ins­beson­dere die EEG-Umlage verur­sacht. Das war in den 90er-Jahren oder Anfang der 2000er-Jahre vielle­icht erfol­gre­ich, aber jet­zt ist es nicht mehr zeit­gemäß und auch nicht mehr zielführend.

Zweites Beispiel ist die Ver­sorgungssicher­heit. Europäis­che Lösung heißt doch nicht, mit über­schüs­sigem erneuer­barem Strom die europäis­chen Net­ze zu fluten und dann, wenn wir bei Dunkelflaute den Strom aus den Nach­barstaat­en brauchen, allen ver­füg­baren Strom abzusaugen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Jür­gen Braun (AfD))

Am Ende ist das noch der Kern­strom aus Frankre­ich oder der Kohle­strom aus Polen. Das ist keine europäis­che Lösung.

(Beifall bei Abge­ord­neten der FDP und CDU/CSU und des Abg. Jür­gen Braun (AfD))

Drittes The­ma ist die Akzep­tanz. Auch wenn Sie alle es nicht mehr hören kön­nen, werde ich nicht müde, das hier immer wieder zu bew­erten: Wenn wir die Energiewende und die Energiepoli­tik gegen die Men­schen durch­drück­en, wird sie scheitern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abge­ord­neten der AfD)

Mit­tler­weile gibt es über 1 000 Bürg­erini­tia­tiv­en, weit­ere schießen nahezu wie Pilze aus dem Boden. Wind onshore ver­liert zunehmend die Akzeptanz.

(Tim­on Grem­mels (SPD): Wegen Leuten wie Ihnen!

Alle möglichen Genehmi­gun­gen wer­den beklagt.

(Tim­on Grem­mels (SPD): Weil Sie ein Scharf­mach­er sind!)

Die Ver­fahrens­dauer zur Erteilung von Genehmi­gun­gen hat sich mas­siv ver­längert. In sehr vie­len Regio­nen gibt es mit­tler­weile ein Mora­to­ri­um, bis eine Lösung gefun­den wor­den ist. Ich kann die Men­schen ver­ste­hen. Ich wieder­hole: 800 Meter Abstand zur Wohn­be­bau­ung bei ein­er Anlage, die 230 Meter hoch ist, kann man den Men­schen ein­fach nicht zumuten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abge­ord­neten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun hebt das Bun­desumwelt­min­is­teri­um den Kli­maschutz berechtigter­weise immer sehr her­vor. Aber bei der Umset­zung der Maß­nah­men, die zum Kli­maschutz beitra­gen kön­nten, zum Beispiel die Beschle­u­ni­gung beim Net­zaus­bau, ste­ht das BMU auf der Bremse. Ich erin­nere nur an das Arten­schutz­por­tal im Zuge der NABEG-Berichter­stat­tung, das wir gut gebrauchen kön­nten, oder an den Verzicht auf Aus­gle­ichs­flächen im land­wirtschaftlichen Bere­ich und viele andere Maßnahmen.

(Beifall bei Abge­ord­neten der FDP und der CDU/CSU)

Es ist nicht sehr koop­er­a­tiv, gegen das Wirtschaftsmin­is­teri­um zu arbeit­en, liebe Kol­legin­nen und Kollegen.

Viertes The­ma ist die CO2-Spe­icherung. Es geht um CCS, also um die Abspal­tung von CO2 in Indus­trieprozessen und um die anschließende Spe­icherung in Gaskav­er­nen oder vorüberge­hend in Sali­nen, also prak­tisch in der Erde. Die CCS-Tech­nolo­gie wurde in Deutsch­land ein­fach abge­sagt, obwohl wir sie für den Kli­maschutz gut gebrauchen kön­nten. Hier sind wir uns quer­beet durch alle Frak­tio­nen einig. Wenn wir CCS auss­chließen, dann kön­nen wir — das wurde berechtigter­weise gesagt — auch CCU nicht nutzen. Das ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Deswe­gen soll­ten wir uns über­legen, ob wir solche Tech­nolo­gien ausschließen.

Faz­it: Eine erfol­gre­iche Energiepoli­tik im Rah­men von Ver­sorgungssicher­heit, Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit kann nur europäisch gelin­gen. Wir brauchen energiepoli­tis­che Lösun­gen mit Europa, unab­hängig von jed­wed­er Regierungskon­stel­la­tion in Deutsch­land. Aber wenn wir unsere Hausauf­gaben nicht machen, wenn wir uns nicht klar darüber sind, was wir wollen, sind wir in ein­er schlecht­en Verhandlungsposition.

(Dr. Julia Ver­lin­den (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, dann machen Sie mal Ihre Hausaufgaben!)

Die Voraus­set­zung für eine europäis­che Lösung ist, dass wir unser Feld hier selb­st richtig bestellen. Das nimmt uns kein­er ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge­ord­neten der FDP)

Bild © Jens Koeppen