Am 1. August 2018 wurde der Gesetzentwurf zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz — PpSG) vom Kabinett beschlossen. Damit sollen spürbare Verbesserungen im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht werden. Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt, um die Pflege und Betreuung der Patienten und Pflegebedürftigen weiter zu verbessern.
Pflege im Krankenhaus
Jede zusätzliche Pflegekraft wird finanziert
Um die Personalausstattung in der Pflege im Krankenhaus zu verbessern, wird zukünftig jede zusätzliche und jede aufgestockte Pflegestelle am Bett vollständig von den Kostenträgern refinanziert. Das mit dem Krankenhausstrukturgesetz eingeführte Pflegestellen-Förderprogramm wird damit über das Jahr 2018 hinaus weiterentwickelt und ausgebaut. Für die zusätzlichen Mittel gilt anders als bisher keine Obergrenze und der Eigenanteil der Krankenhäuser von zehn Prozent entfällt.
Die zusätzlichen Mittel sind zweckgebunden für zusätzliche und aufgestockte Pflegestellen am Bett. Die Mittel des laufenden Pflegestellen-Förderprogramms verbleiben dem einzelnen Krankenhaus, so dass auf die vorgesehene Mittelüberführung in den Pflegezuschlag zum Jahr 2019 verzichtet wird. Nicht für zusätzliches Pflegepersonal verwendete Mittel sind zurückzuzahlen. Diese Neuregelung gilt bis zum Inkrafttreten einer grundsätzlichen Neuregelung zur Pflegepersonalkostenfinanzierung. Tarifsteigerungen voll refinanziert statt Sparen zu Lasten der Pflege Bereits für das Jahr 2018 werden anstelle der bisherigen hälftigen Refinanzierung die linearen und strukturellen Tarifsteigerungen für die Pflegekräfte vollständig von den Kostenträgern refinanziert. In der Vergangenheit wurde der Teil der Tarifsteigerungen, der nicht ausgeglichen wurde, teilweise durch Einsparungen zu Lasten der Pflege kompensiert. Das soll beendet werden. Die zusätzlichen Finanzmittel sind für Pflegepersonal einzusetzen. Das ist durch einen Nachweis zu belegen.
Mehr Ausbildungsplätze in der Pflege
Ausbildungsvergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege sowie in der Krankenpflegehilfe werden bislang nur anteilig refinanziert, weil sie im Rahmen ihrer praktischen Ausbildung voll ausgebildete Pflegekräfte in Krankenhäusern entlasten. Eine solche Entlastung ergibt sich im ersten Ausbildungsjahr jedoch nicht im gleichen Umfang. Daher werden die Ausbildungsvergütungen von Auszubildenden in der Kinderkrankenpflege, der Krankenpflege und in der Krankenpflegehilfe im ersten Ausbildungsjahr ab 2019 vollständig von den Kostenträgern refinanziert. Die Verbesserung schafft einen deutlichen Anreiz, mehr auszubilden.
Daneben wird klargestellt, dass eine Finanzierung der Ausbildungsvergütungen für alle im Krankenhausfinanzierungsgesetz genannten Ausbildungsberufe erfolgt, wenn eine Ausbildungsvergütung vereinbart wurde. Zudem wird gewährleistet, dass die Ausbildungsbudgets den tatsächlichen Kostenzuwächsen entsprechend vereinbart werden können und der Anstieg der Ausbildungsbudgets keiner Obergrenze unterliegt. Schließlich sollen über den Krankenhausstrukturfonds künftig auch Investitionen in Ausbildungsstätten gefördert werden.
Erhöhter Pflegeaufwand braucht erhöhte Vergütung für mehr Pflegekräfte
Seit dem Jahr 2018 können Krankenhäuser für einen bestehenden erhöhten Pflegeaufwand bei pflegebedürftigen Patienten eine zusätzliche Vergütung von den Kostenträgern erhalten. Allerdings gelingt dies häufig mangels einer validen Datengrundlage nicht. Damit die Krankenhäuser die zusätzliche Vergütung zukünftig auf einer gesicherten Basis abrechnen können, werden die Krankenkassen verpflichtet, den Krankenhäusern die hierfür erforderlichen Informationen zur Pflegebedürftigkeit der bei ihnen versicherten Patientinnen und Patienten mitzuteilen.
Pflegepersonal und Pflegeaufwand
Zur Verbesserung der Personalausstattung in Krankenhäusern sowie der Gewährleistung von Patientensicherheit in der pflegerischen Patientenversorgung wird berechnet, wie das Verhältnis von eingesetztem Pflegepersonal zum individuellen Pflegeaufwand eines Krankenhauses ist. Dies gibt einen Aufschluss darüber, ob eine Klinik, gemessen am Pflegeaufwand, viel oder wenig Personal einsetzt. Krankenhäuser dürfen dabei einen noch festzulegenden Wert nicht unterschreiten, da ansonsten Mittel gekürzt werden könnten. Diese Maßnahme dient der Patientensicherheit und bietet Krankenhäusern einen Anreiz, mehr Personal einzusetzen.
Krankenhausstrukturfonds ermöglicht effizientere Strukturen
Fehlende Investitionsmittel der Länder mussten in der Vergangenheit häufig von den Krankenhäusern aus Eigenmitteln kompensiert werden. Diese Umschichtung erfolgte nicht selten auch zu Lasten der Pflege. Wir wollen daher den in der letzten Legislaturperiode gebildeten Krankenhausstrukturfonds fortsetzen und ausbauen.
Der Fonds wird ab 2019 für vier Jahre mit einem Volumen von 1 Mrd. € jährlich fortgesetzt. Die Finanzierung erfolgt wie bisher je zu Hälfte aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und aus Mitteln der Länder. Entsprechend den Fördergrundsätzen des bisherigen Krankenhausstrukturfonds werden die Länder verpflichtet, das in den Haushaltsplänen der Jahre 2015 — 2017 durchschnittlich veranschlagte Fördervolumen mindestens in den Jahren 2019 bis 2022 aufrechtzuerhalten und um den von ihnen zu tragenden Kofinanzierungsanteil zu erhöhen.
So wird gewährleistet, dass die Länder nicht ihr bisheriges Fördervolumen absenken, um aus den ersparten Fördermitteln ihren Kofinanzierungsanteil aufzubringen. Mit den Mitteln des Strukturfonds wird die Anpassung bestehender Versorgungskapazitäten an den tatsächlichen Versorgungsbedarf sowie die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Krankenhausversorgung gefördert. Durch eine zielgenauere Umschreibung der förderungsfähigen Vorhaben wird eine möglichst durchgreifende struktur- und qualitätsverbessernde Wirkung der eingesetzten Mittel erreicht. Aus Mitteln des Krankenhausstrukturfonds wird auch der Einsatz digitaler Anwendungen gefördert, die zu strukturellen Verbesserungen der stationären Versorgung führen, wie etwa die telemedizinische Vernetzung von Krankenhäusern.
Krankenhausindividuelle Vergütung von Pflegepersonalkosten
Künftig sollen Pflegepersonalkosten besser und unabhängig von Fallpauschalen vergütet werden. Die Krankenhausvergütung wird ab dem Jahr 2020 auf eine Kombination von Fallpauschalen und einer Pflegepersonalkostenvergütung umgestellt wird. Die Pflegepersonalkostenvergütung berücksichtigt die Aufwendungen für den krankenhausindividuellen Pflegepersonalbedarf in der Patientenversorgung und
die krankenhausindividuellen Pflegepersonalkosten. Die DRG-Berechnungen werden um diese Pflegepersonalkosten bereinigt.
Dazu werden die Selbstverwaltungspartner für das DRG-System gesetzlich beauftragt, die DRG Vergütung ohne die Pflegekostenanteile in der Patientenversorgung auszuweisen. Die Krankenhäuser und Kostenträger vor Ort vereinbaren die krankenhausindividuelle Pflegepersonalausstattung in der Patientenversorgung auf der Grundlage der von den Krankenhäusern geplanten und nachgewiesenen Pflegepersonalausstattung und der entsprechenden Kosten (krankenhausindividuelle Kostenerstattung). Die zweckentsprechende Mittelverwendung ist nachzuweisen. Nicht zweckentsprechend verwendete Mittel sind zurückzuzahlen.
Pflege in Pflegeeinrichtungen
13.000 Pflegekräfte mehr — Unterstützung für jede stationäre Pflegeeinrichtung
Jede vollstationäre Altenpflegeeinrichtung in Deutschland soll im Rahmen des Sofortprogramms profitieren. Einrichtungen bis zu 40 Bewohnern erhalten eine halbe Pflegestelle, Einrichtungen mit 41 bis 80 Bewohnern eine Pflegestelle, Einrichtungen mit 81 bis 120 Bewohnern eineinhalb und Einrichtungen mit mehr als 120 Bewohnern zwei Pflegestellen zusätzlich. Ziel ist es, insbesondere den Aufwand im Zusammenhang mit der medizinischen Behandlungspflege in der stationären Altenpflege pauschal teilweise abzudecken. Die Pflegeeinrichtungen haben die Möglichkeit, auf Antrag schnell und unbürokratisch diese zusätzlichen, vornehmlich durch Fachkräfte zu besetzenden, Stellen durch einen Zuschlag finanziert zu bekommen.
Zur Finanzierung zahlt die GKV jährlich pauschal einen Betrag an den Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung. Hierzu erhebt der GKV-SV bei den Krankenkassen eine Umlage pro Versicherten. Die private Pflegeversicherung beteiligt sich anteilig entsprechend der Zahl der Pflegebedürftigen an der Finanzierung. Auf diesem Wege werden die Pflegebedürftigen zur Finanzierung dieser rund 13.000
Stellen nicht belastet.
Entlastung der Pflege durch Investitionen in Digitalisierung
Die Digitalisierung birgt, richtig eingesetzt, ein erhebliches Potential zur Entlastung der Pflegekräfte in der ambulanten und stationären Altenpflege. Die vorliegenden Erfahrungen zeigen, dass besonders in
den Bereichen Entbürokratisierung der Pflegedokumentation, Abrechnung von Pflegeleistungen, Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und Pflegeheimen sowie Dienst- und Tourenplanung digitale Angebote enorm entlasten können. Auch beim internen Qualitätsmanagement, bei der Erhebung von Qualitätsindikatoren und bei der Aus‑, Fort- und Weiterbildung kann die Digitalisierung zur Entlastung
von Pflegekräften beitragen. Mit dem Ziel, Fachkräfte in der Pflege zu entlasten, unterstützt die Pflegeversicherung daher über eine 40-prozentige Kofinanzierung einmalig die Anschaffung von
entsprechender digitaler oder technischer Ausrüstung durch ambulante oder stationäre Pflegeeinrichtungen mit bis zu 12.000 Euro. Insgesamt können somit Maßnahmen im Umfang von bis
zu 30.000 Euro je Einrichtung finanziert werden.
Bessere Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten entlastet die Pflege
Sowohl im ärztlichen Bereich als auch im zahnärztlichen Bereich wurde in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Kooperationsverträgen geschlossen. Zu dieser Entwicklung haben nicht zuletzt die verbesserten Vergütungsregelungen im Rahmen der Kooperation sowohl im ärztlichen als auch im zahnärztlichen Bereich geführt.
Um die Entwicklung der Kooperationen zu beschleunigen, wird die Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen, Kooperationsverträge mit geeigneten vertrags(zahn)ärztlichen Leistungserbringern zu schließen, verbindlicher ausgestaltet. Die bisherige „Soll-Regelung“ wird durch eine „Muss-Regelung“ ersetzt. Die KVen werden zudem verpflichtet, bei Vorliegen eines Antrags einer Pflegeeinrichtung zur Vermittlung eines Kooperationsvertrages einen entsprechenden Vertrag innerhalb einer Frist von drei Monaten zu vermitteln. Auch diese Verpflichtung trägt dazu bei, die Entwicklung der Kooperationen verbindlicher zu gestalten und weiter voranzutreiben. Stationäre Pflegeeinrichtungen benennen eine verantwortliche Pflegefachkraft für die Zusammenarbeit. Zudem werden Standards für die schnittstellen- und sektorübergreifende elektronische Kommunikation festgelegt. Die Evaluation dieser Kooperationsverträge ist künftig auch für den zahnärztlichen Bereich verpflichtend. Darüber hinaus werden für eine bessere Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und Pflegeheimen Sprechstunden und Fallkonferenzen per Video als telemedizinische Leistung umfangreich ermöglicht. In diesem Zusammenhang wird die Videosprechstunde insgesamt für alle Versicherten und in der häuslichen Pflege im weiten Umfang weiterentwickelt.
Außerdem wird der Besuch von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, die im Heim oder zu Hause leben, in der Praxis des Fach- oder Zahnarztes erleichtert, indem das Verfahren zur Fahrkostenübername durch die Krankenkasse vereinfacht wird. Dies entlastet die Betroffenen, ihre Angehörigen und die Pflegekräfte von bürokratischem Aufwand.
Medizinische Rehabilitation für pflegende Angehörige
Pflegende Angehörige haben häufig aufgrund ihrer familiären Situation keine Möglichkeit, ambulante Rehabilitationsleistungen in Anspruch zu nehmen. Deshalb wird für sie der Anspruch geschaffen auf ärztliche Verordnung und mit Genehmigung der Krankenkasse auch dann stationäre Rehabilitation zu erhalten, wenn vom medizinischen Gesichtspunkt her eine ambulante Versorgung ausreichend wäre. Rehabilitationsleistungen für erwerbstätige pflegende Angehörige liegen dabei weiterhin in der Verantwortung der gesetzlichen Rentenversicherung.
Steigerung der Attraktivität von Kranken- und Altenpflege
Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen brauchen Unterstützung bei der betrieblichen Gesundheitsförderung. Denn gerade hier ist die psychische und körperliche Belastung für die Beschäftigten enorm. Deshalb verpflichten wir die Krankenkassen, zusätzlich mehr als 70 Mio. Euro jährlich speziell für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aufzuwenden. Den heute für diese Leistungen gesetzlich vorgesehenen Mindestausgabewert in Höhe von 2,15 Euro jährlich je Versicherten erhöhen wir auf 3,15 Euro. Damit erhält die betriebliche Gesundheitsförderung einen Schub, der mit gesunden, motivierten und zufriedenen Beschäftigten letztlich den Patientinnen und Patienten und den pflegebedürftigen Menschen zu Gute kommt.
Zudem wird die nationale Präventionsstrategie ergänzt um spezifische und gemeinsame Ziele der Sozialversicherungsträger und weiterer Akteure zur Förderung und Erhaltung der Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege. Um sicherzustellen, dass alle Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen, die sich für die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten in der Alten- und Krankenpflege einsetzen wollen, die notwendige Unterstützung erhalten, stellen wir sicher, dass sie durch die mit dem Präventionsgesetz geschaffenen regionalen Koordinierungsstellen der Krankenkassen noch besser beraten und unterstützt werden.
Bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Pflegekräfte
Professionelle Pflege kennt keine Pause, sie findet rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche statt und macht auch die Arbeit am Wochenende oder in der Nacht erforderlich. Dies stellt besonders hohe Anforderungen an die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder auch von Pflege und Beruf; und das gerade in einem Bereich, in dem überwiegend Frauen arbeiten. Unterstützung an dieser Stelle kann die Attraktivität des Pflegeberufs stärken und trägt der besonderen, kritischen Beschäftigungssituation in dem Arbeitsfeld Altenpflege Rechnung. Deshalb werden als Impuls für sechs Jahre zielgerichtet Maßnahmen in der Kranken- und Altenpflege finanziell unterstützt, die “besondere Betreuungsbedarfe” etwa jenseits der üblichen Öffnungszeiten von Kitas abdecken oder die auf andere Weise die Familienfreundlichkeit fördern.
Inkrafttreten und weitere Schritte
Das Gesetz soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. In weiteren Schritten soll in der Pflege im Krankenhaus Pflegepersonaluntergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen einführen. In der ambulanten und stationären Langzeitpflege wollen wir verbindliche Personalbemessungsinstrumente einführen und mit einer Konzertierten Aktion Pflege die Situation in der Altenpflege bedarfsgerecht weiterentwickeln.
Bild © Jens Koeppen
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