Auf­grund des gel­tenden Wahlrechts hat der Deutsche Bun­destag nach der Bun­destagswahl im Jahr 2017 eine Größe von 709 Abge­ord­neten erre­icht. Diese hohe Anzahl ergibt sich vor allem aus dem Auf­trag des Bun­desver­fas­sungs­gerichts, Über­hang­man­date auszu­gle­ichen. (Im deutschen Bun­destagswahlrecht gilt:  Über­hang­man­date wer­den dann vergeben, wenn eine Partei mehr Direk­t­man­date durch Erst­stim­men in einem Bun­des­land erringt, als Lis­ten­man­date gemäß dem Zweit­stimmen­ergeb­nis. Seit dem Jahr 2013 wer­den diese durch soge­nan­nte Aus­gle­ichs­man­date korrigiert.)

Bun­destagspräsi­dent Nor­bert Lam­mert hat bere­its seit 2013 wieder­holt darauf hingewiesen, dass das gel­tende Wahlrecht keine Begren­zung der Anzahl von Bun­destagsab­ge­ord­neten sich­er­stellt und auch die Erst­stimme, und somit der direkt gewählte Abge­ord­nete, an Bedeu­tung ver­liert. Er hat eine geset­zliche Begren­zung des Bun­destages auf 630 Abge­ord­nete vorgeschla­gen. Dem Vorschlag kon­nten sich die anderen Frak­tio­nen lei­der nicht anschließen, haben jedoch auch keinen eige­nen akzept­ablen Entwurf eingebracht.

Daher habe ich gemein­sam mit Abge­ord­neten der Unions­frak­tion jet­zt das soge­nan­nte Graben­wahlsys­tem in die Debat­te einge­bracht, bei dem zwei Wahlver­fahren nebeneinan­der und ohne Ver­rech­nung miteinan­der ange­wandt wer­den — das Mehrheitswahlrecht und das Ver­hält­niswahlrecht. Damit hätte der Bun­destag bei den beste­hen­den 299 Wahlkreisen auch 299 direkt gewählte Abge­ord­nete über die Erst­stimme und eben­so viele über die Zweit­stimme. Jede Stimme ste­ht für sich , so wie der Wäh­ler es entschei­det — nicht mehr und nicht weniger. Der Bun­destag hätte eine feste Größe von 598 Mit­gliedern. Für diesen Vorschlag gibt es lei­der aus unter­schiedlichen Grün­den keine Mehrheit im Par­la­ment. Vielmehr wird nun über eine Ver­ringerung der Wahlkreise debattiert.

Als Lan­des­grup­pen­vor­sitzen­der habe ich über eine anste­hende, drin­gend erforder­liche Wahlrecht­sre­form in mein­er Lan­des­gruppe disku­tiert. Auch alle anderen ost­deutschen Lan­des­grup­pen sowie die Berlin­er Lan­des­gruppe haben sich klar posi­tion­iert. Im Ergeb­nis dessen ste­ht für uns fest, dass es keine willkür­liche Ver­ringerung der Anzahl der Wahlkreise geben darf, was eine enorme flächen­mäßige Ver­größerung bedeuten würde. Schon heute sind Wahlkreise mit 5000 bis 6000 qkm keine Sel­tenheit. Eine Betreu­ung dieser Riesen-Gebi­ete wäre in den ländlichen Regio­nen nicht mehr darstell­bar und die Nähe zu den Bürg­ern würde darunter lei­den. Die Arbeit vor Ort ist jet­zt schon, durch die großen Ent­fer­nun­gen, eine enorme Herausforderung.

Ausser­dem haben wir uns darauf ver­ständigt, dass das Direk­t­man­dat unter keinen Umstän­den ange­tastet wer­den darf. Wer in der Erst­stimme die Mehrheit der Stim­men auf sich vere­int, ist gewählt. Alles andere wäre den Wäh­lern nicht vermittelbar.

Wenn man sich nicht auf ein Graben­wahlsys­tem eini­gen kann, bleibt demzu­folge nur eine zahlen­mäßige Begren­zung, wie sie bere­its von Prof. Dr. Lam­mert vorgeschla­gen wurde. Die Begren­zung schlägt sich dann allerd­ings voll­ständig auf die Lis­ten­man­date nieder. Das wäre auch nachvol­lziehbar, denn es gibt bere­its ein mas­sives Ungle­ichgewicht zwis­chen Direk­t­man­dat (derzeit 299) und Lis­ten­man­dat (derzeit 410). Jet­zt sollte man sich schnell auf eine Zahl eini­gen. Per­sön­lich halte ich eine Anzahl von 630 bis 650 Abge­ord­neten für vertretbar.

Der Bun­destag muss zügig zu ein­er Eini­gung kom­men, da im Som­mer bere­its die Wahlkreis­no­minierun­gen für die Bun­destagswahl 2021 erfol­gen kön­nen. Es wäre ein gutes Sig­nal, wenn der Deutsche Bun­destag seine Hand­lungs­fähigkeit jet­zt unter Beweis stellen würde, nicht erst zur übernäch­sten Wahl im Jahr 2025.

Darüber hin­aus sollte man gle­ichzeit­ig die Wahlpe­ri­ode auf 5 Jahre fest­set­zen, wie es auch in den Bun­deslän­dern, im Europa­parla­ment und in den meis­ten europäis­chen Län­dern der Fall ist.

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Auch die Märkische Oderzeitung berichtete am 20.01.2020 auf ihrer Inter­net­seite über das The­ma “Wahlrechtre­form”. Lesen Sie gern den entsprechen­den Artikel unter dem fol­gen­den Link: https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1779273/

Bild © Jens Koeppen