Auswirkungen der Vertrauensfrage des Bundeskanzlers auf die Handlungsfähigkeit des Bundestages
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bleibt bei der Haltung: Der Bundeskanzler muss die Vertrauensfrage nun sofort stellen, damit die Wählerinnen und Wähler so schnell wie möglich über einen politischen Neuanfang für Deutschland entscheiden können. Mit dem Ende der Ampel-Koalition hat Bundeskanzler Scholz angekündigt, im Bundestag die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Das Verfahren dazu beschreibt Artikel 68 des Grundgesetzes (GG): Findet ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Zwischen dem Antrag des Bundeskanzlers und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden liegen.
Das Grundgesetz setzt damit voraus, dass der Bundeskanzler bei Verlust seiner parlamentarischen Mehrheit zügig die Vertrauensfrage stellt und den Bundestag hierüber abstimmen lässt. Löst der Bundespräsident den Bundestag auf, findet die Neuwahl nach Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 GG innerhalb von 60 Tagen statt. Mit der Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten verliert das Parlament aber nicht seine Kompetenzen. Denn seine Wahlperiode endet nach Artikel 39 Absatz 1 Satz 2 GG erst mit dem Zusammentritt des (neu gewählten) Bundestages. Die „Auflösung“ bezeichnet also nicht das Ende der Wahlperiode, sondern lediglich die entsprechende Anordnung des Bundespräsidenten, Neuwahlen anzuberaumen. (Die vom Grundgesetz verwendete Bezeichnung ist missverständlich, erklärt sich aber dadurch, dass im Ursprungstext des Grundgesetzes die Wahlperiode bereits mit der Auflösung endete; die heutige Regelung geht auf eine Verfassungsänderung von 1976 zurück.) Mit der seither geltenden Regelung beginnt durch die Auflösung also keine „parlamentslose Zeit“.
Bis zum Zusammentritt des neuen Bundestages hat der alte Bundestag auch nach der „Auflösung“ weiterhin sämtliche parlamentarischen Befugnisse. Er kann insbesondere weiterhin bei Bedarf zusammentreten, Ausschusssitzungen abhalten, Anträge jedweder Art behandeln, Gesetze beschließen oder Untersuchungsausschüsse einsetzen.
Nach verlorener Vertrauensfrage gibt es nach Artikel 68 Absatz 3 GG zwar nur noch eine geschäftsführende Bundesregierung, wenn der Bundespräsident den Bundeskanzler und der Bundeskanzler die Bundesminister um Fortführung der Geschäfte ersucht. Nach der Staatspraxis trifft eine solche geschäftsführende Bundesregierung keine weitreichenden Entscheidungen mehr. Das Konzept eines „geschäftsführenden Bundestags“ hingegen kennt das Grundgesetz nicht. Der Bundestag bleibt bis zum Ende der Wahlperiode voll handlungsfähig.
Häufige Fragen zur Vertrauensfrage und zur Handlungsfähigkeit des Bundestages
Bundeskanzler Scholz hat angekündigt, mit der Vertrauensfrage bis zum 15. Januar 2025 abwarten zu wollen, damit bis dahin noch – aus seiner Sicht – notwendige Gesetze beschlossen werden können. Ist dieses Warten erforderlich, damit noch dringende Gesetze beschlossen werden können?
Nein. Dringende Gesetze können im Deutschen Bundestag auch noch beschlossen werden, nachdem die Vertrauensfrage gestellt wurde oder der Bundestag aufgelöst wurde. Der Deutsche Bundestag bleibt auch nach der Vertrauensfrage und auch nach der Auflösung durch den Bundespräsidenten voll handlungsfähig und kann alle notwendigen Entscheidungen treffen. Ein Abwarten bei der Vertrauensfrage ist dafür nicht erforderlich.
Ist ein Abwarten bei der Vertrauensfrage erforderlich, um ein „geordnetes Verfahren“ im Hinblick auf die Auflösung des Bundestages und mögliche Neuwahlen sicherzustellen?
Nein. Das „geordnete Verfahren“ gibt ausschließlich das Grundgesetz vor. Zwischen dem Antrag des Bundeskanzlers auf Vertrauensabstimmung und der Abstimmung im Bundestag müssen 48 Stunden liegen. Findet der Antrag des Bundeskanzlers nicht die Zustimmung der Mehrheit des Bundestages, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Die Neuwahl des Bundestages findet dann gem. Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 GG innerhalb von 60 Tagen statt. Dieses Verfahren ist sehr geordnet und genau im Grundgesetz beschrieben. Ein weiteres Zuwarten bei der Vertrauensfrage, wie von Olaf Scholz und der SPD insinuiert, ist nicht erforderlich.
Warum will Bundeskanzler Scholz dann mit der Vertrauensfrage noch so lange – bis zum 15. Januar 2025 – abwarten?
Olaf Scholz geht es bei seinem Zeitplan nicht um das Wohl des Landes oder um den Respekt vor den Wählerinnen und Wählern. Sondern vielmehr geht es ihm darum, sich selbst durch Verzögern und Taktieren in eine vermeintlich bessere Ausgangslage für die anstehende Bundestagswahl zu bringen. Ein möglichst spätes Stellen der Vertrauensfrage ist aus unserer Sicht auch nicht erforderlich, um einen ordnungsgemäßen Ablauf der Wahl zu gewährleisten. Zumal mit den Vorbereitungen für die vorgezogene Bundestagswahl bereits jetzt begonnen werden kann. Für ein „geordnetes Verfahren“ oder zum Erhalt einer Möglichkeit, dringende Gesetze im Bundestag zu beschließen, ist ein Abwarten nicht erforderlich.
Welche weiteren Nachteile drohen, wenn Bundeskanzler Scholz mit der Vertrauensfrage noch bis zum 15. Januar 2025 abwartet?
Durch das Abwarten wird das Vertrauen der Bürger in die Bundesregierung weiter erschüttert. Jeder Tag, an dem das Land die Möglichkeit für einen politischen Neuanfang verwehrt wird, ist ein verlorener Tag. Olaf Scholz muss seine Blockade gegen eine sofortige Vertrauensfrage und einen zügigen Termin für Neuwahlen jetzt aufgeben. Die Verzögerung ist respektlos gegenüber den Wählern: Denn die Wähler sollten nach dem Scheitern der Ampel-Bundesregierung von Bundeskanzler Scholz schnell die Möglichkeit erhalten, eine neue Bundesregierung zu wählen. Zudem steht in dieser aufgewühlten Zeit auch die außenpolitische Handlungsfähigkeit Deutschland in Frage: Um Entscheidungen gemeinsam mit unseren Partnern mit Gewicht und Verlässlichkeit treffen zu können, muss sich der Bundeskanzler auf eine eigene Mehrheit im Parlament verlassen können. Das ist bei Bundeskanzler Scholz nicht mehr der Fall. Er ist damit auch außenpolitisch nur eingeschränkt handlungsfähig – eine „lame duck“.
Quelle: CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Foto © Jens Koeppen
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