„Gemeinsam gegen Corona“ wird zunehmend dahingehend interpretiert, ungeimpfte Menschen aus der gesellschaftlichen Teilhabe auszugrenzen, diese Menschen in ihren persönlichen Freiheiten und Grundrechten einzuschränken und einen massiven Impfdruck auf sie auszuüben.
Die „Ungeimpften“ seien ja schließlich Schuld an der gegenwärtigen Infektionslage und der Situation auf den Intensivstationen. Wirklich?
Wo bleibt bei dieser Argumentation die Gemeinsamkeit im Kampf gegen das Virus? Spaltet dieser Ansatz nicht vielmehr unsere Gesellschaft und schafft er nicht den Nährboden für Radikalisierungen, die uns als gesamte Gesellschaft weit zurückwerfen werden?
„Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt…“ dieser Satz aus der bekannten Ballade „Erlkönig“ von Goethe, ist das Gefühl, das mir viele Menschen, die sich gegenwärtig nicht für eine Impfung entschließen können, schildern. Es ist dieser Umgang politischer Entscheidungsträger — egal ob aus meiner Partei, oder aus anderen — der die Menschen ratlos zurücklässt.
Druck, Angst und Verunsicherung sind leider sehr bald an die Stelle von Aufklärung, Information und Transparenz getreten.
Rechtfertigt die gegenwärtige Situation, dass wir von unserer liberalen Gesellschaft abrücken und die Ausgrenzung von Minderheiten und Andersdenkenden hinnehmen? Für mich ist die Antwort klar: Nein!
Waren es nicht die gewählten politischen Führungskräfte aller Parteien in diesem Land, die eine Impflicht rigoros ausgeschlossen haben? Warum jetzt plötzlich dieser massiver Druck, dieses Schüren von Ängsten, warum dieses Aufwiegeln gegen die ungeimpften Menschen?
Dabei ist doch gerade in diesen Wochen offensichtlich geworden: Die Wirkung des neuartigen Impfstoffs wurde überschätzt, sowohl hinsichtlich der Wirkung auf die Verbreitung des Virus als auch auf die Dauer der Wirkung. Schaut man die neuste Studie aus Schweden an, stehen große Teile der doppelt geimpften Bevölkerung mit einem Schutz von gerade einmal 20 bis 30 % da. Nicht wirklich ein übermäßiger und beruhigender Schutz! Gerade die Älteren und diejenigen mit Vorerkrankungen, deren Impfung schon länger zurückliegt, sind von der nachlassenden Wirkung am deutlichsten betroffen. Vor 14 Tagen war das kaum ein Thema in den politischen Diskussionen. Und schon gar nicht ein Thema, für das Lösungen gesucht wurden.
Sehr offensichtlich ist auch: Die Abschaffung der kostenlosen Testangebote hat nicht den gewünschten Effekt gezeigt, sondern die Ausbreitung des Virus befeuert. Die vermeintlich „geniale Idee“, die Menschen über ihren Geldbeutel vom Impfen „zu überzeugen“, hat sich als Rohrkrepierer erwiesen.
Wer ist in diesem Fall eigentlich politisch und moralisch zuständig? Warum dieser Umgang mit den „Ungeimpften“? Ist es der ungeschickte Versuch, von den Fehlern der letzten Monate in der Pandemiebekämpfung abzulenken?
Warum werden nur bestimmte und geneigte Experten angehört? Gerade in den letzten Wochen haben viele von ihnen das Vertrauen durch überzogene Angstmacherei verspielt. Sie haben folglich einen erheblichen Anteil an der bestehenden Skepsis.
Warum stellt man erst explizit die Impfung frei, um dann wiederum jede Möglichkeit zu nutzen, um Menschen zur Impfung zu drängen?
Warum pokert man immer noch um jeden Euro bei der Bezahlung der Pflegekräfte und des medizinischen Personals, statt hier in der Notsituation deutlich Anreize für eine (Rück)Gewinnung von Kräften zu setzen? Auch viele Teilzeitkräfte könnte man sicherlich in messbarem Umfang motivieren, mehr Stunden auf den Stationen zu leisten, wenn die Anreize stimmen. Stichworte: Betreuungsangebote, Bezahlung, Boni, Lebensarbeitszeitkonten. Hier wurden die offensichtlichen Probleme jahrzehntelang verschlafen. Die Überlastung des Pflegepersonals gibt es nicht wegen der Pandemie, sondern wird dadurch offensichtlich. Genauso wie das Gerangel bei der Bettenkapazität und Ausstattung der Krankenhäuser.
Neue Impfstoffe sind bereits in der Pipeline. Anfang des Jahres 2022 sollen diese bereitstehen. Sie beruhen auf Wirkungsmechanismen, die schon bekannt sind und denen viele jetzt noch ungeimpfte Menschen vielleicht mehr vertrauen, als den neuartigen mRNA-Vakzinen. Lohnt es sich also jetzt wirklich, diesen Druck aufzubauen, obwohl in einigen Wochen die Impfbereitschaft erwartbar massiv ansteigt?
Wobei die jetzige Impfquote nicht so schlecht ist. Es wurde immer durch Politik und RKI vorhergesagt, dass wenn wir eine Quote von 70% erreichen, kehren wir in die Normalität zurück.
Alles was jetzt an Druck aufgebaut wird, stärkt eher die generelle Ablehnung und die allgemeine Skepsis. Druck schafft Spaltung!
Wer stellt hingegen die Frage, ob Maßnahmen dem Gesundheitsschutz und der Pandemiebekämpfung dienen, obwohl diese von sich aus schon mehr als widersprüchlich sind?
Warum erhalten ungeimpfte Lehrer, die verbeamtet sind im unverschuldeten Quarantänefall in der Schule weiterhin die Gehaltszahlungen, jedoch drohen den angestellten Lehrkräften unmissverständlich Gehaltskürzungen?
Warum dürfen ungeimpfte Angestellte unter 3G im Einzelhandel arbeiten, sich jeden Tag einem Test unterziehen und fleißig sein, sich jedoch nicht nach Feierabend oder in der Mittagspause in dem Nachbarladen selbst etwas kaufen, weil ja dann die 2G-Regelung greift?
Rechtfertigen die aktuellen Zahlen einen Lockdown für bisher getestete und daher gesunde „Ungeimpfte“ und einen derart hohen Druck auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer, die gesamte Wirtschaft, Handwerk, Einzelhandel, Sport, Vereine, Kultur und Veranstalter?
Ist es der richtige Weg, die Friseurmeisterin zu verpflichten, die Kontrolle der Impfzertifikate und Personalausweise vorzunehmen?
Wie muss das Testmanagement in den Unternehmen konkret geregelt sein, damit dem Unternehmer weder Strafzahlungen, zusätzliche Kosten noch unangemessener Bürokratieaufwand drohen?
Es werden durch solche Maßnahmen mehr offene Fragen hinterlassen, als Antworten gegeben. Es entsteht leider der Eindruck, als machten sich die zuständigen Entscheidungsträger damit einen schlanken Fuß.
Wie kann man nun aber über die nächsten Monate kommen, ohne den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu gefährden?
3G Plus sowie kostenlose Antikörpertests könnten zielführend sein. Also auch Tests für Geimpfte. Die Erkenntnisse über die Wirkung der Impfung muss genutzt werden, um die Gesellschaft zusammenzuhalten und Freiheit für alle zu gewährleisten!
Wir haben in den letzten Wochen gelernt, dass Geimpfte nicht nur theoretisch das Virus weitergeben und zum Teil auch sehr schwer erkranken können, sondern auch praktisch. Mit 3G Plus könnte man diesem Problem besser gerecht werden, ohne dass einzelne Gruppen vom gesellschaftlichen Leben ausgrenzt werden müssen.
Nach den Erfahrungen in anderen Ländern weiß man zudem, dass viele Menschen eine Infektion durchlebt haben, ohne dass sie es gemerkt haben. Kostenlose Antikörpertests können hier wertvolle Aufklärungen schaffen.
Mit einer Spaltung der Gesellschaft kann man keine positive Zukunft für unser Land gestalten. Solange man sich bei der Pandemiebekämpfung als vermeintliche Lösung auf die „Ungeimpften“ stürzt und sie stigmatisiert, so lange wird man auch keinen echten Erfolg in der Virusbekämpfung haben!
Foto @ Jens Koeppen
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