Für ein Inter­view rund um ver­schiedene The­men, die vie­len Men­schen nicht nur bei uns in der Region unter den Nägeln bren­nen, habe ich einem Jour­nal­is­ten der Märkischen Oderzeitung gern zur Ver­fü­gung gestanden.

Das Inter­view ist auch unter dem Titel “Warum für Jens Koep­pen die Bun­desregierung auf dem Holzweg ist” am 18.08.2023 auf der Inter­net­seite der MOZ veröf­fentlicht wor­den (MOZ+ Artikel): https://www.moz.de/lokales/eberswalde/cdu-in-brandenburg-warum-fuer-jens-koeppen-die-bundesregierung-auf-dem-holzweg-ist-71458097.html

Und auch hier kön­nen Sie meine Ein­schätzung zu den Inter­view-The­men erfahren.

Inter­view mit Jens Koeppen:

  1. Das Jahr 2023 kann bish­er aus poli­tis­ch­er Sicht kaum pos­i­tiv überzeu­gen. Im Bren­npunkt ste­ht weit­er­hin der Ukraine-Kon­flikt. Die anfängliche große Hil­fs­bere­itschaft nach dem ersten Schock ist verebbt, es ist qua­si zur “Nor­mal­ität” gewor­den. Die Kom­munen kla­gen teil­weise über Über­forderung. Wie bew­erten Sie die aktuelle Flüchtlingssituation?

Unsere Kom­munen und die Land­kreise sind in der Tat hoff­nungs­los mit der unko­or­dinierten Zuwan­derungspoli­tik der Ampel-Regierung über­fordert — sowohl finanziell als auch struk­turell. Es ste­hen schlicht ergreifend keine Unterkün­fte mehr zur Ver­fü­gung. Im laufend­en Jahr hat das Bun­de­samt für Migra­tion und Flüchtlinge über 162.000 Asy­lanträge ent­ge­gengenom­men. Das bedeutet einen Anstieg von nahezu 78% gegenüber dem Vor­jahr. Die Kriegs­flüchtlinge aus der Ukraine sind hier nicht ein­mal ein­gerech­net, da diese ohne Asylver­fahren eine Aufen­thalts­gewährung zum vorüberge­hen­den Schutz erhal­ten. Das Chaos hat also weniger mit dem Ukraine-Kon­flikt zu tun als eher mit der dilet­tan­tis­chen Arbeit der Bun­desregierung in diesem Kontext.

 

  1. Welche Möglichkeit­en sehen Sie, die Flüchtlingssi­t­u­a­tion zu stabilisieren?

Jeden­falls nicht mit zusät­zlichen Unterkün­ften für Flüchtlinge in den über­lasteten Kom­munen, es muss um einen Rich­tungswech­sel in der nationalen Asyl- und Ein­wan­derungspoli­tik gehen. Zuerst muss die ille­gale Ein­wan­derung gestoppt wer­den. Es kom­men Men­schen aus sicheren Herkun­ft­slän­dern unge­ord­net ins Land, die nach Recht und Gesetz keine Bleibeper­spek­tive in Deutsch­land haben und nor­maler­weise sofort rück­ge­führt wer­den müssten. Stattdessen wer­den sie auf die Kom­munen verteilt, die mit dem Prob­lem völ­lig allein gelassen wer­den. Die ersten Turn­hallen in Bran­den­burg wer­den wieder als Flüchtling­sun­terkun­ft vor­bere­it­et. Das ist besorgniserregend.

Es müssen schnell­st­möglich wieder sys­tem­a­tis­che Gren­zkon­trollen einge­führt wer­den – auch an der Gren­ze zu Polen und Tschechien. An allen deutschen Gren­zen reg­istri­erte die Bun­de­spolizei im ersten Hal­b­jahr mehr uner­laubte Ein­reisen als in der gle­ichen Zeit ein Jahr zuvor – 45 338 im Ver­gle­ich zu 29 174. Der Anstieg an der deutsch-pol­nis­chen Gren­ze war beson­ders gravierend: von 4592 auf 12 331. Damit hat sich die Zahl der auf dieser Route ank­om­menden Flüchtlinge in Meck­len­burg-Vor­pom­mern und Bran­den­burg im Ver­gle­ich zum ersten Hal­b­jahr 2022 ver­dop­pelt, in Sach­sen waren es sog­ar vier­mal so viele wie ein Jahr zuvor. Weit­er­hin müssen die Asylver­fahren extrem beschle­u­nigt wer­den. Ein erhe­blich­er Teil der Asy­lanträge hat offen­sichtlich keinen Bestand. Men­schen, die keine aus­re­ichende Bleibeper­spek­tive haben, oder deren Asy­lanträge abgelehnt wur­den, dür­fen erst gar nicht auf die Kom­munen verteilt werden.

Hier hat der Innen­min­is­ter in Bran­den­burg seit dem 1. Juli eine Regelung in der Koali­tion durchge­set­zt, die auch als Blau­pause für andere Bun­deslän­der gel­ten kön­nte. Diese Per­so­n­en müssen in der zen­tralen Erstauf­nah­meein­rich­tung verbleiben und erhal­ten statt Geldzahlun­gen lediglich Sach­leis­tun­gen. Es sollen dem­nach Anreize reduziert wer­den, die zur Zuwan­derung in die Sozial­sys­teme führen. Ein erster richtiger Schritt. Der Bun­deskan­zler sollte sich ein­mal in den Wahlkreis­wochen in sein­er eige­nen Wahlkreis­re­gion umse­hen, um festzustellen, dass es nicht aus­re­icht, die Sor­gen der Kom­munen und der Bürg­er unter mil­liar­den­schw­eren Steuergeldern zu ver­steck­en, die am Ende zum Beispiel bei den Schulen und der Infra­struk­tur fehlen. Die Ein­wan­derungspoli­tik der Ampel muss grundle­gend über­dacht wer­den. Hier beste­ht extremer Handlungsbedarf.

 

  1. Deutsch­land liefert Waf­fen an die Ukraine, der Krieg zieht sich weit­er. Die Kri­tik daran wächst, auch von Ihnen. Wie weit muss oder darf Deutsch­land bei der Unter­stützung der Ukraine gehen? Welche Möglichkeit­en zur Befriedung sehen Sie?

Ich habe bei den Abstim­mungen im Deutschen Bun­destag jedes Mal gegen Waf­fen­liefer­un­gen ges­timmt. Waf­fen­liefer­un­gen und Aufrüs­tung brin­gen keinen Frieden, son­dern ver­längern Leid und Not der Zivil­bevölkerung. Es mag zwar etwas aus der Mode gekom­men zu sein, sich für Frieden und Ver­ständi­gung einzuset­zen, aber aus mein­er Sicht hat der antike römis­che Poli­tik­er und Philosoph Cicero recht als er sagte: „Ich mahne unabläs­sig zum Frieden. Dieser, auch ein ungerechter, ist bess­er als der gerecht­este Krieg.“

Es gibt jedoch keine sicht­baren wirk­lichen Bemühun­gen der Staatenge­mein­schaft, den Kon­flikt und den Krieg zu been­den — auch nicht von denen, die auf ihren Wahlplakat­en skandierten, keine Waf­fen in Kriegs­ge­bi­ete zu entsenden. Ganz im Gegen­teil. Heute sind diese Poli­tik­er die ersten, die den Fin­ger am „Abzug der Gerechtigkeit“ haben. Selb­st bei dem Ruf nach der inter­na­tion­al geächteten Streumu­ni­tion oder aber dem nach Kampf­jets hört man von ehe­ma­li­gen Paz­i­fis­ten keine Wider­worte. Das Wort Paz­i­fist ist sog­ar eher zum Schimpf­wort gewor­den und wird wohl bald der „Can­cel Cul­ture“ zum Opfer fall­en. Ich bleibe dabei: Es wird keinen Frieden ohne Zugeständ­nisse geben. So lange wird nur die Rüs­tungsin­dus­trie boomen. Das ist dann wenig­stens gut für das Wirtschaftswach­s­tum im jew­eili­gen Exportland.

 

  1. Viele The­men haben das Land und die Region in den ver­gan­genen Monat­en beschäftigt. Unter anderem auch die Energiepoli­tik. Im April sind die let­zten Atom­kraftwerke in Deutsch­land vom Netz gegan­gen. Im Vor­feld wurde auch von Ihnen eine teils dystopis­che Stim­mung ver­bre­it­et. Am Ende ist nichts passiert. Alles lief weit­er wie bish­er. Haben Sie (auch als CDU) mit Ihrer Kri­tik danebengelegen?

Nach weni­gen Monat­en und mit­ten im Hochsom­mer zu meinen, man habe das Schlimm­ste über­standen und es wäre nichts passiert, ist mit Ver­laub etwas kleinkari­ert und sehr real­itäts­fern. Der ide­ol­o­gis­che Ausstieg aus der Kernen­ergie ist der Ein­stieg in neue Abhängigkeiten.

Wir wer­den sehr bald fest­stellen, dass wir jede Kilo­wattstunde gesichert­er Leis­tung brauchen wer­den und dass der Ausstieg aus ver­lässlich­er Primären­ergie ein fataler Fehler war. Um die Ver­sorgung der Bevölkerung und unser­er Wirtschaft in den kom­menden Jahren sicherzustellen, wer­den wir auf die Liefer­fähigkeit unser­er Nach­barn angewiesen sein. Diese Län­der wer­den in erster Lin­ie sich selb­st und erst danach uns ver­sor­gen, was sie sich dann sehr gut bezahlen lassen. Deutsch­land wird als größter Energiekon­sument das Kon­ti­nents kün­ftig nichts zur europäis­chen Ver­sorgungssicher­heit beitra­gen. Auf der ganzen Welt erlebt die Kernen­ergie eine Renais­sance, allein in Hin­blick auf grund­last­fähige Ver­sorgungssicher­heit und Kli­maverträglichkeit. Ohne Kernen­ergie wird auch der viel beschworene Kli­maschutz nicht möglich sein. Wind und Solar wer­den durch ihre wet­terbe­d­ingte Unzu­ver­läs­sigkeit immer nur ein Teil der Lösung sein, weil aus­re­ichende Spe­icher­möglichkeit­en schlicht und ergreifend nicht zur Ver­fü­gung ste­hen. Jedes Win­drad, das zusät­zlich in unsere heimis­che Land­schaft gestellt wird, dreht sich auch nur ein Vier­tel des Jahres. Deutsch­land muss sich endlich den Real­itäten stellen, statt die Ide­olo­gie ein­er Min­der­heit zu pfle­gen und auf Parteitags­beschlüsse Rück­sicht zu nehmen.

Wer die Wirk­lichkeit aus­blendet, gehört nicht ins Regierung­shan­deln! Es ist ein­fach nur grob fahrläs­sig, den Bürg­ern bei der gegen­wär­ti­gen Wirtschaft­slage und der hohen Infla­tion noch zusät­zlich ide­olo­giebe­d­ingte Strompreis­steigerun­gen durch Abschal­tung von sicheren heimis­chen Kraftwerken zuzu­muten sowie höhere Wahrschein­lichkeit­en für fol­gen­schwere Stro­maus­fälle und Stromver­sorgungslück­en zu riskieren. Die grund­last­fähi­gen heimis­chen Kraftwerke müssen so lange weit­er betrieben wer­den, bis Alter­na­tiv­en nicht nur aus­ge­baut, son­dern ver­lässlich am Netz ver­füg­bar sind.

 

  1. Erst vor kurzem gab es Irri­ta­tio­nen um ein Inter­view des CDU-Parteivor­sitzen­den Friedrich Merz. Wie ste­hen Sie zur Zusam­me­nar­beit mit der AfD auf kom­mu­naler Ebene?

Friedrich Merz hat das gesagt, was eigentlich für jeden eine Selb­stver­ständlichkeit sein sollte: Freie Wahlen sind das Fun­da­ment unser­er Demokratie. Dazu gehört es dann aber auch, das Wahlergeb­nis und damit das Votum der Bürg­er zu akzep­tieren. Man kann nicht so lange wählen lassen, bis einem das Ergeb­nis genehm ist. Das führt zu Ver­bit­terung und Poli­tikver­drossen­heit. Auch ein “Demokratiecheck” nach jed­er Wahl ist völ­lig inakzept­abel und würde let­z­tendlich zu weit­er­er Abwan­derung der Wäh­ler führen. Man muss nun ein­mal mit dem Votum leben, daraus Schlüsse für die eigene inhaltliche Arbeit ziehen. Dazu gehört auch, dem gewählten Kon­tra­hen­ten mach­bare Vorschläge zur poli­tis­chen Gestal­tung vor Ort zu unter­bre­it­en. Wo begin­nt eigentlich Zusam­me­nar­beit? Mit dem Gespräch mit einem Kreistagsab­ge­ord­neten oder Gemein­der­at ein­er konkur­ri­eren­den Frak­tion, mit der jew­eili­gen Zus­tim­mung zu einem Antrag oder mit der Bil­dung eines Zweck­bünd­niss­es? Eine reine Fun­da­men­tal-Oppo­si­tion bedeutet für die entsprechende Ebene let­z­tendlich Still­stand und das, je nach gewählter Posi­tion, 5 oder 8 Jahre lang. Das ist nicht mein Ver­ständ­nis als Abge­ord­neter. Ich habe gel­ernt, mit dem umzuge­hen, was der Sou­verän mir mit den Wahlen auf den Tisch gelegt hat. Poli­tik begin­nt immer mit dem Betra­cht­en der Wirklichkeit.

 

  1. Lokal gab es im Barn­im einige schlechte Nachricht­en zu ver­melden. Ins­beson­dere in Eber­swalde gab es einige wirtschaftliche Pillen zu schluck­en: Cade­ju, der Kran­bau, in mehreren Laden­pas­sagen dro­ht Leer­stand. Wie bew­erten Sie die wirtschaftliche Sit­u­a­tion der Region?

Die Wirtschaft ste­ht generell vor riesi­gen Her­aus­forderun­gen. Indus­trie, Mit­tel­stand, Handw­erk, Land­wirte, Einzel­han­del und Klei­n­un­ternehmer in ganz Deutsch­land sehen die haus­gemachte wirtschaftliche Sit­u­a­tion in Deutsch­land mit­tler­weile als exis­tenzbedro­hend an. Der tra­di­tionelle Kran­bau in Eber­swalde rei­ht sich hier lei­der nur ein. Das frei­willige nationale Embar­go auf rus­sis­ches Öl gegen PCK Schwedt ist eine weit­ere sicht­bare Spitze des Eis­berges, auf den die amtierende Bun­desregierung sehen­den Auges zus­teuert. Exor­bi­tante Energiepreise, fehlende Ver­sorgungssicher­heit, steigende Arbeit­slosigkeit, ausufer­nde Bürokratie, Ver­bote statt Unter­stützung und Igno­ranz physikalis­ch­er Fak­ten zu Gun­sten ide­ol­o­gis­ch­er Tagträumereien führen das gesamte Land in die näch­ste Dein­dus­tri­al­isierung. Wenn es keine sofor­tige Kursän­derung gibt, müssen sich die Bürg­er darauf ein­richt­en, dass der erar­beit­ete Wohl­stand nicht mehr zu hal­ten sein wird und die Lebensleis­tung ganz­er Gen­er­a­tio­nen inner­halb weniger Jahre zer­stört wird.

Diese Bun­desregierung regiert — ange­führt von ein­er grü­nen Min­der­heit — das Land gegen die Inter­essen der Men­schen im Land. Ich befürchte daher ern­sthafte Schä­den für unser Gemein­wohl. Wenn wir nicht gegen­s­teuern, wer­den die Schä­den irrepara­bel bleiben. Aus­nahm­s­los alle Unternehmen benöti­gen poli­tis­che Rah­menbe­din­gun­gen und eine Ord­nungspoli­tik, mit der sich wie bish­er erfol­gre­ich und nach­haltig wirtschaften lässt. Die let­zten bei­den Jahre haben eines deut­lich gemacht: Mit welt­fremder Ide­olo­gie, Ver­boten und Gän­gelei, hohen Steuern und hohen Energiepreisen kom­men wir nicht wieder an die Welt­spitze, son­dern rutschen weit­er ins untere Mit­telfeld ab.

www.moz.de, 18.08.2023

Foto © Jens Koeppen