Für ein Interview stand ich kürzlich der Märkischen Oderzeitung zur Verfügung:
Herr Koeppen, heftige Wochen, heftiges Thema gleich zu Beginn. An Afghanistan kommt dieser Tage niemand vorbei. Nun gibt es für die Katastrophe, die wir dort gerade beobachten, vielleicht nicht den einen Schuldigen. Und doch ist das Vertrauen in ein kompetentes politisches Management gerade mit Blick auf Außen- und Verteidigungspolitik extrem erschüttert. Kann es überhaupt wiederhergestellt werden und wie?
- Das geht nur, indem man Fehler, die man gemacht hat, benennt, sich dafür entschuldigt und sagt, das ist hier wirklich alles andere als gut gelaufen. Es wäre aber falsch, jetzt innerhalb der Regierung oder der Gesellschaft mit dem Finger auf andere zu zeigen. Damit würde man sich unglaubwürdig machen. Weder das Außenministerium, das Verteidigungsministerium, das Kanzleramt oder die Geheimdienste allein sind als Schuldige festzumachen. Es gab offensichtlich Fehleinschätzungen in vielen Ressorts für das gesamte Mandat — sowohl beim Einsatz, als auch beim Truppenabzug. Die Annahme der USA und der Verbündeten, mal eben mit einem robusten Mandat in einem Land wie Afghanistan ein freiheitliches demokratisches System zu exportieren, war blauäugig. Diese Fehleinschätzung des Westens hat uns bei jeder Entscheidung zu einer Verlängerung des Einsatzes begleitet. Es gab wohl keinen Beschluss im Bundestag, der den Abgeordneten schwerer gefallen ist. Auf der einen Seite wollte man unsere Soldatinnen und Soldaten unterstützen, auf der anderen Seite ist man nicht hundertprozentig überzeugt von diesem Einsatz gewesen. Es ist jetzt der Zeitpunkt generell über unsere Entwicklungs- und Verteidigungspolitik nachzudenken und solche robusten Einsätze neu auszurichten. Die fatalen Fehler der jüngsten Vergangenheit, insbesondere beim Abzug aus Afghanistan müssen parlamentarisch und gesellschaftlich aufgearbeitet werden. Es handelt sich hier um ein Missmanagement, was sich nicht wiederholen darf.
Damit auch ein komplettes Versagen der Bundesregierung?
- Es wäre kurzsichtig nur die jetzige Regierung in den Blick zu nehmen. Es waren ja seit 2001 mehrere Bundesregierungen und Bundestage beteiligt. Es gab dabei offensichtlich Fehlentscheidungen in der Politik, den Geheimdiensten, der NATO, der westlichen Allianz gegen den Terror — auch und insbesondere jetzt beim Truppenabzug. Es müssen doch erst alle Mitarbeiter und Ortskräfte in Sicherheit gebracht werden, ehe die letzten Soldaten das Land verlassen. So etwas darf nicht passieren. Hier haben die Ressorts nicht gut zusammengearbeitet. Das muss zügig und transparent analysiert werden, sonst verlieren die Menschen das Vertrauen.
Nicht nur verstörende Bilder erreichen Deutschland seit mehr als einer Woche, auch die Menschen, die nun aus Afghanistan fliehen, werden möglicherweise auch in Uckermark und Barnim Schutz finden. So wirkt Weltpolitik dann bis in ihren Wahlkreis hinein. Eine Chance, Verantwortung zu zeigen und viele Menschen aufzunehmen?
- Es geht nicht darum, möglichst viele Menschen aufzunehmen, sondern diejenigen, die bei der Bundeswehr und den Hilfsorganisationen als Ortskräfte gearbeitet haben. Diesen Menschen und ihren Kernfamilien muss geholfen werden. Das heißt aber auch, dass wir unser Aufnahmeangebot auf einen sehr engen Personenkreis begrenzen. Die gesamte Großfamilie wird nicht nach Deutschland kommen können.
Warum nicht? Diese Menschen wären doch auch gefährdet?
- Das Jahr 2015 darf sich nicht wiederholen. Eine weitere Flüchtlingswelle in diesem Ausmaß würde unser Land spalten und überfordern. Hier ist die internationale Gemeinschaft gefragt. Insbesondere die europäische Gemeinsamkeit habe ich bereits damals vermisst.
Geht es nicht um sämtliche Menschen, die jetzt rauswollen, weil sie um ihr Leben fürchten? Müssen wir diese nicht in großem Stil aufnehmen?
- Nein, das ist der falsche Ansatz. Meine Lösung wäre, dass die Bündnispartner, die EU, aber auch die NATO, also alle, die mit dem Einsatz zu tun hatten, sich an einen Tisch setzen und sich über die effektive Vor-Ort-Hilfe verständigen. Wenn jedes dieser Länder erstmal eine Milliarde Euro Soforthilfe auf den Tisch legt, würde man mit mindestens 20 Milliarden Euro in den Nachbarländern angemessene Unterkünfte errichten beziehungsweise, wenn sich die Lage stabilisiert, direkt vor Ort helfen können. Wir müssen uns ehrlich machen: Wir können nicht alle Menschen, die in Not geraten bei uns aufnehmen. Darüber hinaus muss die Diplomatie — auch mit schwierigen Gesprächspartnern — wieder das Primat der Außenpolitik werden.
An der Spitze der Bundesregierung, die dann mit schwierigen Verhandlungspartnern redet, wird unabhängig vom Ausgang der Wahl bald jemand neues stehen. Wie froh sind Sie über das Ende der Ära Merkel?
- Die 16 Regierungsjahre von Angela Merkel waren geprägt von Höhen und Tiefen. Deutschland steht international aber gut da. Viele beneiden uns, um unsere wirtschaftliche Robustheit und unseren Wohlstand. 2005 hat ihr niemand diese Bilanz zugetraut und jetzt ist sie eine international anerkannte Politikerin. Vielen wird sie insofern fehlen. Aber nach einer solch langen Regierungszeit und vielen unverschuldeten Krisen werden Verschleißerscheinungen sichtbar. Das konnte man 1998 auch bei Helmut Kohl beobachten. Es fehlten der Schwung und die Reformbereitschaft. Ich bin also nicht froh über den Abschied, aber es ist ein notwendiger Amtswechsel. Ich freue mich auf den Neustart. Jedes System braucht ein Update, wie es auch bei der CDU-Spitze der Fall war.
Wie traurig sind Sie darüber, dass es Armin Laschet wurde, nicht Friedrich Merz?
- Traurig ist das falsche Wort. Ich hatte einen anderen Kandidaten im Fokus. Friedrich Merz war allerdings zweimal zweiter Sieger. Armin Laschet wurde durch die Delegierten der Parteibasis auf dem Bundesparteitag zum Vorsitzenden der CDU gewählt und vom Präsidium schließlich für die Kanzlerkandidatur nominiert. Der Prozess ist abgeschlossen! Auch wenn ich damals für Friedrich Merz gestimmt habe, stelle ich mich hinter unseren Kanzlerkandidaten, denn Armin Laschet steht für einen liberalen Parteikurs, der aber auch die Positionen aller Strömungen berücksichtigt. Und er führt in NRW die einzige bürgerlich schwarz/gelbe Landesregierung, was meiner Wunschkonstellation im Bund entspricht. Friedrich Merz wird in der neuen Bundestagsfraktion eine entscheidende Position übernehmen und mit für die notwendige Erneuerung sorgen. Ich würde ihn mir als Fraktionsvorsitzenden wünschen, als starken Gegenpart zur Regierung, den ich derzeit vermisse. Wir brauchen selbstbewusste Abgeordnete in einer starken Bundestagsfraktion.
Die Unzufriedenheit merkt man auch in Ihren Facebook-Posts. Dort machen Sie öffentlich, dass Sie gegen das Infektionsschutzgesetzt gestimmt haben. Im Frühjahr schlendern Sie gedankenversunken durch das leere Odercenter in Schwedt, fordern eine Öffnungsperspektive für Geschäfte und kritisieren zu harte und zu lange andauernde Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Maßnahmen, die von Regierungsverantwortlichen aus ihrer Partei auf den Plan gerufen wurden, einer CDU-Kanzlerin und einem CDU-Gesundheitsminister im Einvernehmen mit einem CDU-Wirtschaftsminister. Sind Sie noch in der richtigen Partei?
- Auch wenn ich manchmal quer im Stall stehe, so stehe ich doch im richtigen. Das ist das Entscheidende. Würde ich mit allem zufrieden sein, was die Regierung macht, dann wäre ich selbstzufrieden und hätte meinen Auftrag als Abgeordneter verfehlt. Wenn man hier und da den Finger in die Wunde legt und auf Fehlentwicklungen hinweist, ist es im Sinne der Verbesserung einer Sache. Wenn die Menschen in meinen Wahlkreis etwas anders sehen und darüber mit mir reden, ist es meine Aufgabe, dies an den entsprechenden Stellen anzubringen.
Wirkt von außen entweder wie ein Kampf gegen Windmühlen oder Wahlkampf. Was ist es?
- Wer sich für meine Arbeit interessiert, oder beispielsweise meinen Facebook-Account verfolgt, sieht, dass ich mich die gesamte Legislatur über kritisch zu Wort melde. Das hat nichts mit Wahlkampf zu tun, sondern ist meine originäre Aufgabe als Interessenvertreter meiner Heimatregion. Manche Entscheidungen müssen auf den Prüfstand. Wenn zum Beispiel das Infektionsschutzgesetz jetzt wieder neu aufgelegt wird, obwohl wir keine pandemische Lage mehr haben, die Krankenhäuser nicht überlastet sind, jeder ein Impfangebot erhalten hat und die Krankheitsverläufe mild sind, muss man dagegen intervenieren. Oder wenn immer mehr Windkraftanlagen an die Wohnbebauung heran gebaut werden, ohne dass der Strom genutzt werden kann, aber trotzdem von den Bürgern bezahlt werden muss, dann ist das Klimaschutz auf dem Papier. Da muss ich gegensteuern.
Sind alle Corona-Maßnahmen mittlerweile überflüssig?
- Die meisten schon. Das, was im März 2020 aktuell und möglicherweise richtig war, ist längst überholt. Es muss jetzt vielmehr geschaut werden, welche Maßnahmen noch zwingend notwendig sind. Der Inzidenzwert hat seine Aussagekraft verloren. Die Feststellung der Pandemischen Lage und die Lockdown-Maßnahmen wurden immer mit der Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems begründet. Ich sehe nicht, dass wir die Befürchtung haben müssen, dass unser Gesundheitssystem an seine Grenzen stößt. Die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland ist geimpft, insbesondere die Risikogruppen. Jeder kann mittlerweile ein Impfangebot — das selbstverständlich weiterhin freiwillig bleiben muss — annehmen.
Heißt, Weihnachten wird dieses Jahr nicht abgesagt?
- Richtig. Es darf keinen weiteren Lockdown mehr geben. Dafür gibt es keine objektiven Gründe, kein Verständnis in der Bevölkerung und auch keinen finanziellen Spielraum. Es würde unsere Gesellschaft weiter spalten und die Wirtschaft völlig ruinieren. Wir brauchen wieder die Freiräume, die Selbstbestimmung und die Eigenverantwortung, die unser Land einmal geprägt haben. Ein freiheitlicher Rechtsstaat kann die Bürger nicht vor allen Lebensrisiken schützen. Grundrechtseinschränkungen sind nur im äußersten Notfall akzeptabel. Dieser ist nicht mehr gegeben. Die Normalität muss jetzt zurückkehren.”
Foto @ Jens Koeppen
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