Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat mich die Redaktion der Märkischen Oderzeitung zu meiner Einschätzung der gegenwärtigen Situation befragt. Gern können Sie das Interview hier nachlesen:
Wie ist Ihre Haltung zu den von der Bundesregierung mitgetragenen Sanktionen gegen Russland?
Sanktionen werden in der Politik sorgfältig abgewogen und debattiert. Sie wirken im Ergebnis allerdings oftmals hilflos und als Rechtfertigung dafür, etwas getan zu haben. Es stellt sich die Frage: Was haben Sanktionen und Sanktionsandrohungen in der Vergangenheit bei bewaffneten Konflikten, Menschenrechtsverletzungen oder korrupten Regierungen gebracht? In den meisten Fällen kommt sehr schnell die Gegenreaktion und die Wirkung verpufft oder verdreht sich sogar ins Gegenteil. Wenn man sich die Wirkungen der Sanktionen ehrlich und ideologiefrei am Beispiel Russland ansieht, kommt man schnell zu der Erkenntnis, wer gegenwärtig am längeren Hebel bzw. dem Rohstoffventil sitzt. Dennoch bleibt die Hoffnung, dass durch die Sanktionen das System „Putin“ durch die eigenen Landsleute stärker unter Druck gerät, es zum Waffenstillstand kommt und letztendlich Friedensgespräche möglich werden.
Wie ist Ihre Haltung zum Einmarsch russischer Truppen in das Staatsgebiet der Ukraine?
Es ist furchtbar und eigentlich auch immer noch unvorstellbar, dass es wieder Krieg in Europa gibt! Der jetzige Krieg hat aber bereits seit 2014 angebahnt und seit 2 Wochen ist er traurige Gewissheit. Ganz offensichtlich haben wir die Gedankenwelt des russischen Präsidenten falsch eingeschätzt. Ich bleibe aber dabei: Nur wenn man miteinander spricht, kann man den anderen verstehen lernen. Das Zitat von Hans-Dietrich Genscher “Solange man miteinander redet, schießt man nicht aufeinander” ist nach wie vor zutreffend und aktuell. Der kalte Krieg der Nachkriegszeit hat doch eines gelehrt: Es kann beim Wettrüsten, Säbelrasseln, Sanktionieren und Drohen keinen Gewinner geben. Es gibt nur Verlierer, wenn die Gespräche verstummen und die Diplomatie versagt.
Welche Lösung sehen Sie als zielführendste an, um den Konflikt schnellstmöglich zu beenden?
Der Konflikt kann nur beendet werden, wenn es eine völkerrechtlich verbindliche Lösung um die „Ukraine-Frage“ gibt, die alle Seiten akzeptieren. Das betrifft die Krim, die Ostukraine und den Status des gesamten Landes. Jedwedes Hineinzerren der Ukraine in ein Bündnis bzw. in ein Lager würde nur immer wieder Öl in das Feuer gießen. Nur ein militärisch neutraler Status — Beispiel Schweiz — würde meines Erachtens Frieden in die Region bringen. Allerdings dürfte sich der Wunsch der Ukrainer nach westlicher Bindung nach dem skrupellosen kriegerischen Überfall weiter verfestigt haben.
Wie ist Ihre Haltung zur Aussage des russischen Präsidenten Putin, dass die Ukraine historisch betrachtet ein Teil Russlands ist?
Ich bin weder Historiker noch bin ich Analytiker der Aussagen von ausländischen Staatschefs oder Despoten. Fest steht aber, sowohl die UNO als auch Russland haben die Unabhängigkeit der Ukraine 1991 anerkannt. Als Mitglied des Deutschen Bundestages hoffe ich auf schnellstmöglichen Frieden und eine völkerrechtlich verbindliche Lösung für die Ukraine.
Sehen Sie bei der NATO bzw. beim sogenannten Westen eine Mitschuld am Einmarsch?
Russland führt einen Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat und die Vereinten Nationen haben den Einmarsch in die Ukraine scharf verurteilt. Es sind dafür jetzt Lösungen gefragt. Eine weitere Eskalation und die aktive Einbeziehung anderer Staaten oder gar der der NATO in den derzeitigen Krieg dürfen wir nicht zulassen. Gorbatschow hat seinerzeit mit seiner Reformpolitik der Perestroika eine damals unvorstellbare Öffnung und Wandlung der Weltpolitik ermöglicht. Man hat wieder miteinander gesprochen und letztendlich hat Russland der deutschen Wiedervereinigung zugestimmt. Der kalte Krieg schien vorbei zu sein. Es gab allerdings zu dieser Zeit auch Aussagen führender westlicher Politiker, dass es keine Osterweiterung der NATO geben sollte, auch wenn es heute dazu unterschiedliche Interpretationen gibt. Nun wird die erfolgte Osterweiterung der NATO vom russischen Präsidenten offen als vermeintlicher Aggressionsgrund des Westens angegeben. Was wir als Ausweitung eines friedlichen Verteidigungsbündnisses sehen, interpretieren Putin und seine Verbündeten als Bedrohung und Grund für diesen feigen Überfall. Es gab in der jüngeren Vergangenheit immer wieder gute Formate, in denen Russland eingebunden war. Dahin müssen wir möglichst schnell zurückfinden. Zurzeit ist das zwar schwer vorstellbar, aber Russland muss wieder Teil der Lösung werden und darf nicht als alleiniges Problem gesehen werden. Als erster Schritt dahin, müssen als erstes die Waffen wieder schweigen.
Befürworten Sie die Aufnahme ukrainischer Flüchtlinge in Deutschland?
Wir helfen den Menschen, die vor Krieg und Vertreibung flüchten. Dazu hat sich Deutschland im Übrigen bereits mit der Unterzeichnung der Genfer Flüchtlingskonvention im Jahr 1951 verpflichtet. Alle Bundesländer werden Menschen aus der Ukraine aufnehmen, solange es den bewaffneten Konflikt gibt. Unglaublich viele Menschen in Deutschland bemühen sich gegenwärtig den Flüchtenden beizustehen und sie aktiv jenseits des staatlichen Engagements zu unterstützen.
Foto@JensKoeppen
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