Der Einmarsch Russlands in die Ukraine wird weltweit zu Recht verurteilt. Er verstößt in allen Punkten gegen das in der Charta der Vereinten Nationen festgeschriebene Gewaltverbot und somit gegen geltendes Völkerrecht und bringt Tod, Leid und Zerstörung in die Bevölkerung.
Die Rufe nach Waffenlieferungen für die Selbstverteidigung sind daher emotional verständlich, aber aus meiner Sicht weder zielführend noch friedenstiftend.
Dieser Krieg in der Ukraine hat eine lange Vorgeschichte, die bei der derzeitigen politischen Debatte um Sanktionen, Embargos und Lieferung von schweren Waffen kaum mehr betrachtet wird, aber wichtig ist für weitere möglicherweise schwerwiegende Entscheidungen.
Nun ist dieser Konflikt leider zu einem entsetzlichen Krieg in Europa eskaliert und wird brutal auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgetragen. Daher ist es müßig, in der jetzigen Situation über die Ursachen zu philosophieren. Es gibt jetzt nur eine Aufgabe für die Weltgemeinschaft: Der Krieg muss schnellstmöglich beendet und darf nicht ausgeweitet werden. Der Ruf nach der Lieferung von schweren Waffen bis hin zu Flugverbotszonen und Eingreifen von Drittstaaten wird lauter und ist in Hinsicht auf den Frieden in Europa und der Welt besorgniserregend.
Ich selbst stehe solchen Waffenlieferungen sehr kritisch gegenüber, weil sie diesen unsäglichen Krieg und das Leid der Menschen möglicherweise nur verlängern würden. Es gibt in Teilen der deutschen und internationalen Politik mittlerweile eine Kriegsrhetorik, die die Menschen beunruhigt und die ich mir nicht zu eigen mache.
Ist nicht auch immer noch mit kluger Diplomatie ein Waffenstillstand und dann Frieden zu erreichen? Sollte sich Deutschland mit schweren Waffenlieferungen, ob direkt oder im „Ringtausch“, zur Kriegspartei erklären, oder sich besser für Verhandlungen zwischen Russland, den USA, weiteren NATO-Staaten und der Ukraine stark machen, um einen schnellen Friedensschluss herbeizuführen? Darin könnte die Sicherheit und Neutralität der Ukraine vertraglich garantiert und über die gewünschte Unabhängigkeit der Gebiete im Osten der Ukraine sowie über den Status der Krim verhandeln werden. Wird es nach viel Leid und Zerstörung nicht früher oder später ohnehin darauf hinauslaufen? Ist daher die Verlängerung des Krieges durch Waffenlieferungen oder Ausweitung des Konfliktes auf andere Staaten nicht die schlechtere und leidvollere Variante?
Der ehemalige Berater der Bundeskanzlerin, Ex-Brigadegeneral Dr. Erich Vad, hat sich in mehreren Stellungnahmen gegen die Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine ausgesprochen. Solche Lieferungen seien aus seiner Sicht potenziell ein Weg den Krieg auszuweiten und andere Länder mit hineinzuziehen. Er warnt in einem Interview: „…wenn wir den Dritten Weltkrieg nicht wollen, müssen wir früher oder später aus dieser militärischen Eskalationslogik raus und Verhandlungen aufnehmen.“
Auch der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat meint: „Der Zug der Lemminge hat sich in Bewegung gesetzt — die Politik ist auf Kriegskurs. Warum wollen so viele Politiker und Journalisten den Krieg in unser Land holen?“
Siegfried Lautsch, Offizier der NVA und der Bundeswehr sagte sogar in einem Interview: „In dieser Lage wäre es für die Verteidiger einschließlich der politischen und militärischen Führung des Landes „heldenhaft“, die Waffen zu strecken, um nicht weitere unnötige Verluste in Kauf zu nehmen… Auch wenn der Kriegsausgang in der Ukraine weiterhin unabsehbar ist, muss die Eskalation des Krieges vermieden werden. Deshalb müssen alle Möglichkeiten von Gesprächen und Vereinbarungen von beiden Seiten genutzt werden, um für einen Waffenstillstand zu sorgen und um weiteres Unheil zu verhindern. Zudem muss der Eindruck ausgeschlossen werden, dass NATO-Staaten sich aktiv an dem Konflikt beteiligen… Nicht zuletzt bedarf es bereits heute konzeptioneller Überlegungen, welchen Platz Russland und die Ukraine in einem künftigen Europa einnehmen werden. Vernünftig wäre, vor allem unter den gegenwärtigen Tatsachen, dass die Aufnahme der Ukraine und weiterer Anrainerstaaten Russlands in die NATO, aber auch der EU-Beitritt ein hypothetisches Konstrukt bleiben sollte…“
Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof äußerte sich zu langfristigen Waffenlieferungen: „Das ist bei Licht besehen, die Absicht…, die Russen und Ukrainer den Krieg bis zu seinem bitteren Ende ausfechten zu lassen… zuerst lokale Auseinandersetzung, dann Einbeziehung eines betroffenen Nachbarn und zum Schluss Einmischung aller Nachbarstaaten. Und da sie alle wissen, dass sie „Recht“ haben, verwüsten sie das Ursprungsland des Streits.“
Es gibt zweifellos auch Argumente, die für eine Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine und damit für das verbriefte Recht auf Selbstverteidigung des Landes sprechen — aber wir wären gut beraten in dieser äußerst brisanten Lage alle Positionen und Expertisen ernst zu nehmen, um dann mit Vernunft und Augenmaß zu handeln.
Daher spreche ich mich weiterhin gegen eine Lieferung von schweren Waffen aus.
Foto © Jens Koeppen
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