Wenn biol­o­gis­ches Geschlecht und geschlechtliche Iden­tität abwe­ichen, braucht es für Betrof­fene einen ver­lässlichen und rechtlichen Rah­men zur Per­so­n­en­stand­sän­derung. Der Wech­sel des eige­nen Geschlechts ist in per­sön­lich­er und rechtlich­er Hin­sicht ein ein­schnei­den­der Schritt. Dies recht­fer­tigt es, dass der Staat hier­für bes­timmte Regeln vorsieht.

Nach derzeit­iger Recht­slage entschei­det ein Gericht über den Wech­sel des rechtlichen Geschlechts. Dabei sind zwei Gutacht­en von Sachver­ständi­gen beizubrin­gen, die mit diesem Gebi­et aus­re­ichend ver­traut und voneinan­der unab­hängig tätig sind. Sie müssen bestäti­gen, dass die antrag­stel­lende Per­son seit min­destens drei Jahren unter dem „Zwang“ lei­det, entsprechend ihrer vom Per­so­n­en­stand abwe­ichen­den Geschlecht­si­den­tität zu leben. Diese Recht­slage gilt grund­sät­zlich auch für Minderjährige.

Das Bun­desver­fas­sungs­gericht hat einige Teile des gel­tenden Trans­sex­uel­lenge­setz TSG für ver­fas­sungswidrig erk­lärt. Es ist daher dur­chaus angemessen, prag­ma­tis­che Anpas­sun­gen des Ver­fahrens zur Änderung des Namens bzw. des Per­so­n­en­stands von trans­geschlechtlichen Men­schen vorzunehmen.

Mit dem vor­liegen­den „Gesetz über die Selb­st­bes­tim­mung in Bezug auf den Geschlecht­sein­trag (SBGG)“ soll es nun aber trans‑, intergeschlechtlichen und nicht­binären Per­so­n­en erle­ichtert wer­den, nahezu ohne jed­wede Hürde ihren Geschlecht­sein­trag und ihre Vor­na­men ändern zu lassen.

Der Geset­zen­twurf der Ampelkoali­tion geht damit in ihrem extremen und pauschalen Ansatz jedoch zu weit. Sie entwerten die Beweiskraft öffentlich­er Reg­is­ter und haben keine Lösun­gen für die bere­its vor­pro­gram­mierten Auswirkun­gen in anderen Bereichen.

Bere­its der Name „Selb­st­bes­tim­mungs­ge­setz“ sug­geriert, dass geschlechtliche Iden­tität für jeden Men­schen zu jedem Zeit­punkt frei wählbar sei und sein muss und dass sich die geschlechtliche Iden­tität im Laufe eines Lebens gegebe­nen­falls mehrfach ändert.

In der Real­ität ste­ht jedoch für die über­große Mehrheit der Bevölkerung ihr Geschlecht nicht in Frage. Eine voraus­set­zungslose, jährliche Änderungsmöglichkeit des Geschlecht­sein­trages und des Vor­na­mens lehne ich daher entsch­ieden ab.

Die vorgelegten Pläne für ein soge­nan­ntes Selb­st­bes­tim­mungs­ge­setz sind Teil ein­er frag­würdi­gen und ide­ol­o­gis­chen Iden­tität­spoli­tik der Ampel. Sie will damit biol­o­gis­ches und soziales Geschlecht entkop­peln und der Beliebigkeit hingeben.

Das Geschlecht – sei es in biol­o­gis­ch­er oder sozialer Hin­sicht – stellt aber eine Real­ität dar und unter­liegt nicht der freien Selbstbestimmung.

Es benötigt deshalb eine Lösung, die die Inter­essen der Betrof­fe­nen ernst nimmt und ihren beson­deren Lebenssi­t­u­a­tio­nen durch ein möglichst scho­nen­des Ver­fahren zur Änderung des Vor­na­mens und des Geschlecht­sein­trags Rech­nung trägt, aber dabei die Tren­nung von rechtlichem und biol­o­gis­chem Geschlecht nicht beliebig macht und möglichem Miss­brauch vorbeugt.

Ins­beson­dere für Kinder und Jugendliche sollte die bish­erige Recht­slage beibehal­ten und aus Grün­den des Kinder- und Jugend­schutzes weit­er­hin im Rah­men eines Gerichtsver­fahrens über einen Namens- und Geschlechtswech­sel entsch­ieden wer­den. Auch die Verpflich­tung zur Beib­ringung von Gutacht­en sollte hier beste­hen bleiben, um der Gefahr ein­er „Dynamik“ bei Kindern und Jugendlichen, alters­be­d­ingte Per­sön­lichkeit­szweifel und Pubertät­sphasen der Sex­u­a­len­twick­lung mit einem rechtlichen Geschlechtswech­sel zu begegnen.

Die Zus­tim­mung der sorge­berechtigten Eltern darf auch weit­er­hin nicht durch das Fam­i­lien­gericht erset­zt wer­den können.

Das vor­liegende Gesetz wäre ein weit­er­er Schritt zu ein­er fortschre­i­t­en­den „Ver­staatlichung“ der Kinder, oder wie es schon längst unver­hohlen gefordert wird: Die Luftho­heit über den Kinderbetten…

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